OLGA SEDAKOWA

Olga Alexandrowna Sedakowa wurde 1949 in Moskau geboren. Sie schloß ihr Studium an der Philologischen Fakultät der Moskauer Staatsuniversität 1973 ab und promovierte 1982 am Institut für Balkanwissenschaften über slawische heidnische Mythologie. Bis 1988 wurden ihre Gedichte in der damaligen UdSSR nicht publiziert. Doch waren sie aufgrund von Samisdatveröffentlichungen und häufigen Leseauftritten in Privatwohnungen einem größeren Leserkreis nicht nur in Moskau, sondern auch in Leningrad, Kiew und Tiblissi bekannt. In der russischen Exilpresse in Paris erschien dann 1986 ihr erster Gedichtband „Wrata, okna, arki“. Parallel zur eigenen poetischen Arbeit hat Olga Sedakowa Rilke, Claudel und Pound ins Russische übersetzt und Essays zu Einzelaspekten im Werk von Puschkin, Achmatowa und Chlebnikow veröffentlicht.

Ihre Lyrik gilt als Sonderfall innerhalb der zeitgenössischen Literatur Russlands. Sie verbindet eine moderne Metaphernsprache, geschult an Pasternak und Achmatowa, mit klassischen Bildern und Mythologien. Nicht von ungefähr hat Olga Sedakowa auch Dante und Petrarca ins Russische übersetzt. Ihren Gedichten haftet etwas Zeitloses und Beständiges an. Sie sind nie Agitation, nie Ausdruckstanz, eher etwas wie existenzphilosophische Übungen, persönliche „Haltepunkte“.

Diese Wiedergeburt einer sehr persönlichen, doch weitgehend objektivierten Empfindsamkeit ist in der ehemaligen Sowjetunion lange Zeit nicht zur Kenntnis genommen worden. Heute wird Olga Sedakowa zunehmend gelesen. Ihre Welt, die ohne falsche Hoffnungen auskommt, besticht durch das, was Kierkegaard „Bezeugen der Wahrheit“ nennt, durch Widerstandsfähigkeit und Form. Joachim Sartorius

Foto: Archiv Walter Thümler

Bibliographischer Kurzhinweis: Mit Ausnahme von „Wilde Heckenrose“ aus: „Znamja“ 8/92 sind die Originaltexte für die hier abgedruckten Übersetzungen alle in dem 1990 in Moskau erschienenen Gedichtband „Kitajskoje Puteschestwje“ (Chinesische Reise) enthalten. Die Interlinearversionen von Sergej Gladkich dienten als Grundlage für die Übertragungen von Walter Thümler. Diese sind mit Ausnahme der bereits in Lettre Nr. 17 erschienenen beiden Gedichte „Widmung“ und „Ein Krug. Ein Grabstein des Freundes“ deutsche Erstveröffentlichungen.