Der Maastricht-Vertrag

■ Die Unvollendete, die Europa zur politischen Union zusammenführen soll

Richtige Freude hat er nirgends in Europa ausgelöst, der Maastricht-Vertrag. Sein Kernstück, die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU), soll bis 1999 mit einer gemeinsamen Europawährung verwirklicht werden. Über die Stabilität der neuen Währung soll eine Europäische Zentralbank wachen. Um die WWU zu bilden, müssen mindestens sieben Länder folgende Stabilitätskriterien erfüllen: Die Neuverschuldung des Staatshaushalts muß unter drei Prozent liegen, die Gesamtverschuldung muß unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bleiben (das BIP ist der Wert aller im Inland geschaffenen Waren und Dienstleistungen). Darüber hinaus darf die Inflationsrate nicht mehr als 1,5 Prozent und der Leitzins nicht mehr als drei Prozent über dem Durchschnitt der drei stabilsten Länder liegen. Wenn bis 1996 nicht sieben EG-Länder diese Kriterien erfüllen, dürfen sich zwei Jahre später auch weniger Staaten zur WWU zusammenschließen. Nach heutigem Stand der Dinge erfüllen nur Frankreich, Luxemburg und Dänemark die Anforderungen.

Außer den klaren Regeln für die WWU ist der Maastricht-Vertrag in vielen Bereichen unvollendet. So fehlt de facto die zur WWU gehörige Sozialunion. Kritisiert wird von den linken und bürgerlichen GegnerInnen das Demokratiedefizit der Verträge. Die nationalen Parlamente geben Macht in den Bereichen Außen-, Innen- und Asylpolitik an Europa ab — aber nicht an das Europaparlament (EP), sondern den Ministerrat. Das Europaparlament muß weiter auf ein Initiativrecht verzichten. In der Außen-, Innen- und Asylpolitik besteht lediglich ein Unterrichtungsrecht für das EP.

Die bisherige Abstimmung in der Außenpolitik wird durch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ersetzt. Die Leitlinien muß der Ministerrat einstimmig beschließen, die folgenden Aktionen können jedoch eingeleitet werden, wenn zwei Drittel der zuständigen Minister zustimmen: KSZE-Prozeß, Abrüstung, Kontrolle von Waffenexporten und Nichtverbreitung von Atomwaffen. Erstmals formuliert die EG das Ziel einer gemeinsamen eigenständigen Verteidigungspolitik mit der Westeuropäischen Union (WEU) als ausführendes Organ. Die EG-Verteidigungspolitik darf aber der Nato nicht zuwiderlaufen. Nach Maastricht soll es in der EG eine einheitliche Regelung der Einreisebestimmungen geben. Der Kernpunkt Asyl- und Einwanderungspolitik bleibt jedoch auf der unverbindlichen Ebene der gemeinsamen Abstimmung zwischen den Regierungen. Verbraucherschutz, Industriepolitik und Kultur gelten als gemeinsame Aufgaben, nicht aber die Energiepolitik.

Neu geschaffen wird ebenfalls eine europäische Staatsbürgerschaft, die allen EG-BürgerInnen in jedem Mitgliedstaat bei Kommunalwahlen das aktive und passive Wahlrecht zugesteht. Donata Riedel