Banane macht erfinderisch

Vor 100 Jahren erreichte die Banane Hamburg. taz-Reporter Gregor Gerlach besucht aus diesem Anlaß das  ■ Bananenmuseum in Sierksdorf.

„Ein Mann sieht gelb“, BRD 1991/92. Hauptdarsteller: Dole Lundgren, Chiquita Bronson, Michelle Del Monte. Drehbuch, Regie und ausführender Produzent: Bernhard Stellmacher. Schnitt — aus.

Bislang ist Bernhard Stellmacher weder Produzent noch Regisseur — obwohl dies bei seiner Liebe zum Detail nicht verwundern würde. Vielmehr ist der schnauzbärtige Sammler, Jahrgang 1941, stolzer Besitzer eines außergewöhnlichen Museums im schleswig-holsteinischen Sierksdorf an der Ostsee. Die Exponate im Keller seines verwinkelten Eigenheims in der Professor-Haas-Straße verkörpern farblich und förmlich nur eines — die Banane oder auch „Musa paradisiaca“.

Für Stellmacher ist „alles Banane“, dieses Motto prangt auf seinem selbstgestrickten blauen Pulli. Mag sein, daß der diplomierte Industrie-Designer deshalb der Frucht verfallen ist, weil ihre Form und Farbe von bestechend schlichter Schönheit ist — unübertroffenes Natur-Design. An Sammelleidenschaft habe er schon immer gelitten, gesteht er. Angefangen habe es mit Emaille-Werbeschildern, „doch als ich auf Flohmärkten Kataloge fand, bin ich auf ein fantasievolleres Gebiet umgestiegen“. Und beginnt er erst einmal zu reden, zieht er auch die Zuhörer in den Bann des tropischen Obstes. Stellmacher vermutet gar, die Banane sei die Frucht der Erkenntnis, „denn in der Bibel ist nur von Frucht die Rede“ — nicht etwa vom Apfel, dem Sinnbild des Sündenfalls. Alles hat ein Ende, nur seine Geschichten um die Banane habe offenbar keins.

Auch in der guten Stube, die für den normalen Besucher allerdings unzugänglich ist, taucht man ein ins Reich der krummen Frucht. In der Obstschale regiert sie als Banana realistica, an der vollgehängten Wand hinterm Wohnzimmertisch pellt sich auf einem alten Chiquita- Werbeschild aus Emaille eine knusprige Dame aus der gelben Schale. Einer der zwei Hunde, die im Haus umherstreunen, hört auf den Namen Banano — er bekommt gewöhnliches und kein Fruchtfleisch zu fressen, versichert Stellmacher. Der Papagei krächzt „Banano“, aber zum Tee wird Apfelkuchen gereicht.

Stellmacher ist dank seiner Obsession ein gefragter Mann, etliche Male muß er zum Telefon marschieren. Gerade hat sich ein Fernsehteam aus London angemeldet. „Yes, we've got two thousand different things“, lautet seine internationale Auskunft. Sierksdorf bald Synonym für Banane?

Unter den Einheimischen gilt Stellmacher als Exot, „es gibt da so einige Berührungsängste“, sagt er über seine Nachbarn. Trotz des etwas abgelegenen Standortes kommen die Besucher zahlreich. Eigentlich wollte er das Museum im Winter schließen, doch das sei nicht zu machen. Ständig würden sich Leute anmelden, 1000 seien es pro Jahr.

Komplett werde solch eine Sammlung natürlich nie, es komme immer etwas Neues hinzu, berichtet der Museumsmann. Begeisterte Besucher versorgten ihn ständig mit neuen Exponaten.

Ein äußerst fruchtbares Gras

Die Botanik verweist die Banane in die Gattung der Gräser. Zwei Zentimeter wächst eine Staude pro Tag, vier Monate dauert es, bis aus den Blüten Früchte werden. Neun Monate steht die Pflanze insgesamt, dann wird sie komplett umgehackt. Nur die stärkste der vielen Tochterpflanzen, die sich gebil-

1det haben, bleibt stehen, ein neues Bananenbaumleben kann beginnen. Einen echten Stamm hat die Banane nicht, es handelt sich lediglich um Blatthülsen. Die Hauptanbauländer befinden sich in Mittelamerika, dort werden mehrere Ernten im Jahr eingefahren.

Ursprünglich kommt die Pflanze aus Indochina. Im 14. Jahrhundert brachte ein Mönch sie dann nach Mittelamerika, von wo aus die Frucht ihren Siegeszug durch die ganze Welt antrat. Insbesondere den Deutschen hat sie es angetan — wir sind Weltmeister im Bananenessen. Ein Westdeutscher vertilgt pro Jahr 16, ein Ostdeutscher gar 27 Kilogramm.

Nach Deutschland kam die erste Banane vor genau 100 Jahren. „Die Formulierung ,eingeführt‘ verkneife ich mir“, merkt Stellmacher verschmitzt an. Ein Kaufmann von den Kanaren beglich seine Schuld beim Hamburger Fruchtimporteur Richard Lehmann in Naturalien. Der Kaufmann konnte mit den 20 grasgrünen Stauden erst nichts anfangen. Nach wenigen Tagen waren die Früchte in seinem Kontor aber gereift und dufteten betörend. Lehmann erkannte die wirtschaftliche Potenz der Banane und orderte Nachschub.

Heute erreicht täglich ein Bananendampfer den Hamburger Hafen. Grün werden die Früchtchen geerntet und durch gezielte Zugabe des (von Bananen auch natürlich erzeugten) Reifegases Äthylen je

1nach Bedarf speisefertig gemacht. Lediglich Bananen aus dem Bio-Anbau werden nicht begast, sie reifen deshalb nicht gleichmäßig nach und werden etwas fleckig.

Um in des Stellmachers Allerbananigstes zu gelangen, muß der Besucher den Bananensattel-Griff der Kellertür drücken. Drinnen besticht alles, was man erblickt, durch blendendes Gelb und formvollendete Krümmung. Mit Ausnahme eines Exponats, das braun und verschrumpelt in einer der 16 Vitrinen steht — eine getrocknete Schale, der selbstverständlich ebenfalls ein Platz im Bananenmuseum gebührt. Gleichberechtigt liegt sie neben der Bananentasche, dem Bananenlötkolben, der Bananenseife, dem Bananenregenschirm, der Bananensichel, dem Bananenfeuerzeug, der Bananenvase, der Bananenbrosche, dem Bananenthermometer, der Bananenkerze, dem gemütlichen zwei Meter langen Bananensofa aus Plüsch, das Stellmacher aus Köln herbeigekarrt hat.

Erotika und Geschmackloses

Doch zuerst stößt der Besucher auf die Food-Abteilung. Bananenquark, Bananenmilch, Bananenschokolade, Bananensaft, Bananenlikör, Bananenfruchtschale — Banane macht erfinderisch.

Und was kommt nach dem Essen? Richtig! Die Form der Frucht hat schon immer zu erotischen

1Phantasien animiert. Zum Schutze der Jugend wurde das schlüpfrige Eckchen — das Rotlichtviertel des Museums — in Augenhöhe eines Erwachsenen angesiedelt. Der Hersteller eines bananenverpackten Dildos wirbt großmäulig für sein Produkt: „Jawohl, Sie sehen richtig — es ist ein stattliches, imposantes Glied! Kein Kümmerling, kein welker Piephahn — sondern ein knüppeldicker, langer Prachtkerl.“ Präservative mit Bananengeschmack liegen sicher hinter Glas, die Zungenprobe ist den Besuchern verwehrt.

Noch geschmackloser wird es im hinteren Teil. Eine Blindenbanane mit den drei Punkten wird mit den Worten kommentiert: „Wen die Farbe nicht entzückt, den macht bestimmt die Form verrückt.“

Steeldrum-Klänge — „Bananenmusik“, wie Stellmacher sagt — dringen verschwommen aus Lautsprechern in Bananenform. Ein Bananenfisch ist zu sehen, ein Bananenkalender durchzublättern, gleich in mehreren Ausführungen gibt es das von Stellmacher vor zwölf Jahren höchstpersönlich entworfene und oft kopierte Bananenetui. Die nachgebauten, ebenfalls ausgestellten Exemplare erfüllen ihn mit Stolz: „Eine Kopie ist immer eine Huldigung an den Erfinder.“

Gelegentlich beschleichen Stellmacher Selbstzweifel — ob er sich nicht zum Affen macht. Aber letztlich tue er dies gerne, „was wären

1Könige ohne ihre Narren“.

Und was sagt der Bananen-Verrückte dazu, daß die EG den Deutschen ab dem kommenden Jahr die Banane vermiesen will? Dann nämlich dürfen nur noch 1,5 Millionen Tonnen der sogenannten „Dollar- Bananen“ aus Lateinamerika eingeführt werden. Diese großen, schmackhaften Früchte bescherte uns 1957 Konrad Adenauer. Er handelte damals einen Vertrag aus, der die BRD als einziges europäisches Land dazu berechtigte, Bananen zollfrei und in Höhe des Eigenbedarfs zu importieren. Ab 1993 müssen sie nun zu 20 Prozent verzollt werden. Über die Menge von 1,5 Millionen Tonnen hinaus dürfen die Deutschen nur noch die kleineren Bananen aus den Trabanten der EG-Partnerländer Spanien, Portugal, Frankreich und Griechenland importieren — von den Kanarischen Inseln, aus Madeira, Martinique und Kreta.

„Daß sich die Preise verdoppeln werden, finde ich völlig okay“, meint Stellmacher, „bislang wird einem das Kilo ja für einsneunundneunzig nachgeschmissen.“ Weniger okay ist für ihn, daß letztendlich die zentralamerikanischen Erzeugerländer unter den neuen Regelungen zu leiden haben, Hunderttausende Plantagenarbeiter würden ihre Jobs verlieren.

Dennoch wird für Stellmacher die Banane die lustigste Frucht der Welt bleiben — das Lächeln der Natur.