■ Kommentar
: Null-Debatte

Haushaltsdebatten gelten als Sternstunden der parlamentarischen Demokratie. Die Opposition zieht Bilanz, rechnet ab mit dem Kurs der Regierung und der sie stützenden Fraktionen. Die gestrige Generaldebatte war jedoch alles andere als eine Sternstunde, die Aussprache schleppte sich über Stunden müde dahin. Deprimierend ist nicht nur die Haushaltslage der Stadt, die zu einem eisernen Sparkurs gezwungen ist. Deprimierend ist auch das Bild, das die Opposition bot. Seit der Aufkündigung der Zusammenarbeit mit der PDS verkommt diese schon kraft Ächtung zur Bedeutungslosigkeit, aber auch ihre inhaltlichen Aussagen tendieren ebenso gegen Null wie der Berliner Haushalt. Doch auch FDP und Grüne haben sich offenbar einen argumentativen Sparzwang verordnet.

Ihre Kritik an Senat und Koalition ging kaum hinaus über billige Schlagworte wie „Pepita für Kurzsichtige“ (von Braun) oder die „Macho-Senatorenriege“ (Krause). Die beiden Parteien, die zu Beginn der Großen Koalition angekündigt hatten, um die Meinungsführerschaft in der Opposition zu kämpfen, drohen in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Über punktuelle qualifizierte Kritik an der Regierungspolitik kommen sie nicht mehr hinaus, und wo in der Stadt tatsächlich andere Politik gemacht werden soll, darauf bleiben sie die Antwort schuldig. Gegen die Übermacht einer Großen Koalition anzustreiten, ist schwer. Und ist noch schwerer in einer Zeit, in der die öffentlichen Kassen leer sind und sich Politik nur an der Macht des Geldes orientiert. Dennoch könnten gegen das zu Recht beklagte Mittelmaß der Koalition sehr wohl andere Konzepte für die Stadt entwickelt werden. Die Opposition vermittelt den Eindruck, daß sie daran tatsächlich nur wenig Ehrgeiz setzt und das intellektuelle Potential ebensowenig vorhanden ist wie bei den geschmähten Koalitionsparteien. Mehr noch: Gerade in der prekären Haushaltslage scheint es, daß sie keinerlei Interesse an anderen Mehrheiten und es sich in ihrer Nische wohnlich eingerichtet hat. Denn andernfalls müßte man die unpopulären Sparmaßnahmen verantworten, für die man jetzt CDU und SPD so bequem geißeln kann. Nicht nur den großen Parteien steht ein harter Wahlkampf bevor, auch die kleinen werden beweisen müssen, daß sie tatsächlich mit besseren Konzepten aufwarten können. Die wirklich harten Sparjahre für Berlin kommen erst noch. Kordula Doerfler