Plaste und Elaste aus Müll

■ Grau ist alle Theorie / Eine Reise zu den Anfängen des Kunststroffrecyclings

Letzte Woche machte sich Bremens Umweltbehörde auf den Weg und besuchte drei Kunststoffrecycling-Anlagen, empfohlen vom DSD (Deutsches Duales System, das mit dem Grünen Punkt). Frei nach dem Motto: Was passiert mit der alten Schampooflasche oder dem entleerten Margarinebecher, die die bewußte Verbraucherin liebevoll dem Gelben Sack einverleibt hat, schwärmte man hinaus.

Erster Stopp ist die Firma Beekmann in Ostfriesland. Seit 1969 im Müllgeschäft tätig, widmen sie sich nun dem Kunststoffrecycling. Aber Kunststoff ist nicht gleich Kunststoff. Körperpflege- und Spülmittelflaschen gehören der sogenannten Hohlkörperfraktion an. Sie sind zumeist aus High Density Polyethylen (HDPE) und lassen sich relativ leicht wiederverwerten. Für die Folien aus Low Density PE gilt das gleiche. Joghurtbecher gehören in der Fachsprache zur Becherfraktion und haben eine andere chemische Zusammensetzung: Polystyrol (PS) oder Polypropylen (PP), und sind damit Mischkunststoffe, die sich nicht so unproblematisch wiederverwerten lassen. Sie werden chemisch zersetzt oder hydriert und wieder zu Benzin, Heizöl, Diesel oder Schmierstoffen. Auch nicht schlecht, möchte man denken, aber offenbar weder kostengünstig noch besonders energiefreundlich.

Überhaupt: Energiefreundlich ist das alles nicht, findet Kurt Huth von Müller Milchs Verpackungsgesellschaft Optipack (kein Witz, die heißen wirklich so). Die ökologische Seite des Kunststoffrecycling sei problematisch. Man verbrauche für das Waschen, die Sortieranlagen, das Schreddern und nicht zuletzt für den Transport eine ungeheure Menge an Energie. „Der Gesetzgeber zwingt uns im Grunde die Umwelt zu schädigen“, sagt Huth, „man verbraucht mehr Energie als man mit dem Recyclen gewinnt.“ Müller Milch hat in einem Projektversuch die eigenen Becherfraktionen vor den Supermärkten wieder eingesammelt und

Hierhin bitte das Foto mit den

Schnipseln

Alles so schön bunt hier: Kunststoffflakes, gemixt gibt grauFotogramm: Christoph Holzapfel

wiederverwertet. Nun mußten sie per Gesetz dem DSD beitreten und zahlen 20 Millionen Mark im Jahr, damit der Kunststoffmüll von anderen Firmen verarbeitet wird.

In Ostfriesland könnte sich unsere Schampooflasche in einer Gartenbank wiederfinden. Hinter der Mülldeponie liegt die Wiederverwertungsfabrik, die bereits jetzt den Kapazitäten, die 1995 zu erwarten sind, gewachsen ist, bestätigt der Geschäftsführer der Firma Beekmann. Die Produktpalette ist auf regionale Bedürfnisse abgestimmt. Die Recyclat-Folien werden als Teichfolien oder für Mülldeponien oder Baustellenabdeckungen benutzt. „Das ist der letzte Dreck, sag ich mal, der da drin ist“, sagt Jacobus Beekmann und weist auf die recyclierten Spundwände. Ob Spundwände oder Gartenbänke — hübsch sehen die dunkelgrauen, fast schwarzen ehemaligen Hohlkörper oder Becherfraktionsangehörigen nicht aus. Sie sind extrem grobklotzig, und der mitgereiste Designer Robert Bücking wendet sich mit Grausen.

Die nächste Stelle ist der Landschaftspflege- und Recyclinghof in Papenburg. Laut Prospekt müßte jedermann „der Umwelt zuliebe“ Gartenzäune aus braungrauem Plastik aufstellen. Komposter-Systeme und allerlei „Bretter“ sind aus diesem Material auch zu haben. Auf den Gesichtern der Herren von der Umweltbehörde und den mitgebrachten Beratern von Becker- Plastolen spiegelt sich keine eitle Begeisterung. Die Frage, ob das alles ist, was man aus alten Schampooflaschen und dergleichen Kunststoffhausmüll machen kann, scheint in der Luft zu stehen.

Erst bei TPP-Recycling in Ibbenhellt sich die Miene von Umwelt-Staatsrat Uwe Lahl auf. Eine moderne Anlage spuckt „hochwertiges“ Granulat aus, das zu Flaschen, Blumentöpfen oder Säcken verarbeitet werden kann. Die Ausgangsflasche, die wir in Bremen gedanklich in den Gelben Sack geworfen haben, wird zuallererst von der Firma Hasero in Woltmershausen vorsortiert. Nun sind die Bremer Entsorgungsbetriebe raus aus der Müllverantwortung. Zu Päckchen geschnürt übernimmt der DSD die müllige Ware und übergibt sie den „Garantiegebern“, in diesem Falle der Firma TPP. Auf dem Hof des TPP liegen die Päckchen mit unserer Schampooflasche. Sie werden auf ein Fließband geschüttet, wo von Hand die Sprühköpfe raussortiert werden. Danach wandert die Flasche mit all den anderen Flaschen durch Schredder und Schneidemaschine und wird in kleine Teile zerhackt. Hiernach geht's in ein Wasserbad, damit jeder Rest des vorigen Inhalts der Hohlkörper weggespült wird. Die sauberen Kunststoff-„Flakes“ kommen in die Friktion. Mit schnellaufenden Messern wird das Plastik zu einer weichen Masse verarbeitet und erhitzt, dann durch ein Sieb gepreßt und sofort kalt abgeschreckt. Dabei entstehen kleine Plastikkügelchen, die zum Zeitpunkt ihrer Entstehung „Granulat“ getauft werden.

Das Problem des Wasserverbrauchs beim Waschvorgang hat die Firma TPP mit einer eigenen Wiederaufbereitungsanlage für das Brauchwasser gelöst. „Wir kommen bis zu 95 % an die Qualität der Neuware ran“, sagt Geschäftsführer Jürgen-Wilhelm Ehlers. Doch die Kunststoffin

dustrie selbst macht die Preise kaputt. Zur Zeit ist die Herstellung aus Neumaterial billiger. „Ein Kilo PE-Granulat kostet neu achtzig Pfennige“, sagt Dieter Schulz von Plastolen, „und das aus Abfall gewonnene Recyclat kostet vier Mark das Kilo.“ So wird es ursprüglich auch eine Preisfrage gewesen sein, die dazu führte, daß der Gelbe Sack aus neuem Kunststoff hergestellt wird. In einer Versuchsreihe will Bremen nun die Herstellung eines Sackes aus Recyclaten bei der TPP testen. Nur gelb wird er nicht sein, denn aus dem Gemisch aller Kunststoffe wird undefinierbares Grau. Vivianne Agena