Türkei: Deutscher Journalist bleibt in Haft

■ Stephan Waldberg wird der „Unterstützung der PKK“ beschuldigt

Diyarbakir (taz) – Am gestrigen Freitag begann der Prozeß gegen den 28jährigen Stephan Waldberg, Reporter für Radio Dreyecksland in Freiburg, vor dem Staatssicherheitsgericht (SSG) in Diyarbakir. Nach gut zwei Stunden Verhandlung lehnte das Gericht der in Türkisch-Kurdistan gelegenen Stadt den Antrag der Verteidigung auf Haftentlassung ab. Begründung: zunächst müßten noch andere Personen, mit denen der Angeklagte in der Türkei Kontakt hatte, überprüft werden. Die nächste Verhandlung wurde für den 18.Dezember anberaumt.

Stephan Waldberg war am 23.Oktober bei seiner Einreise aus dem Nordirak festgenommen und in der Grenzstadt Silopi 10 Tage lang unter verschärften Bedingungen – mit verbundenen Augen – verhört worden.

Ohne Kontakt zur Außenwelt wollte ihn die Polizei, wie er sagte, unter Morddrohungen zwingen, Kurierdienste für die Guerillaorganisation PKK zuzugeben. Seine Aussagen seien durch einen Soldaten fehlerhaft übersetzt worden. Als belastendes Material wurde ein Brief bei ihm gefunden, der aus einem der PKK-Lager nach Deutschland gebracht werden sollte. Ferner fand die Polizei bei ihm Tonbandinterviews und Fotos aus den Lagern, sowie eine leere Patronenhülse und Abzeichen der Propagandaeinheit ERNK.

In dem wegen angeblicher Unterstützung der PKK angestrengten Verfahren fordert die Staatsanwaltschaft eine Strafe von 5 Jahren Haft, die sich unter dem sogenannten Anti-Terror-Gesetz noch auf das Doppelte erhöhen kann. Der Prozeß wurde von zwei Delegationen aus der Bundesrepublik, organisiert von der von „medico international“ ins Leben gerufenen Initiative „Schutz für Journalisten in Türkei-Kurdistan“ und Radio Dreyecksland, besucht. Unter den mehr als 10 deutschen Beobachtern befanden sich neben etlichen Journalisten auch MdB Gernot Erler, SPD, sowie ein Vertreter der Deutschen Botschaft in Ankara und der Vater von Stephan Waldberg. Unzulänglich übersetzt, wandte sich Stephan Waldberg energisch gegen die Vorwürfe und stellte auch durch Dokumente, die sein Anwalt Sezgin Tanrikulu dem Gericht vorlegte, klar, daß seine Reise in die Türkei und den Nordirak ausschließlich journalistischen Zwecken gedient habe. Den Brief eines PKK-Mitglieds, das sich lange in Deutschland aufgehalten hatte, habe er aus Gefälligkeit in einem geschlossenen Umschlag mit sich geführt. Bei den anderen Gegenständen seien neben den Interviews eines Reporters auch ein paar Sachen gewesen, die er als Geschenke und Andenken an sich genommen habe.

Die 1. Kammer des SSG Diyarbakir wollte seiner Aussage aber nicht recht Glauben schenken und lehnte den Antrag der Verteidigung auf Haftentlassung ab. Gleichzeitig wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Überprüfung der Kontaktpersonen sowie der Adressen in Stephan Waldbergs Notizbuch übernommen.

Bislang wurde der Fall von Stephan Waldberg in der türkischen Öffentlichkeit nicht besonders hochgespielt, offensichtlich um bilaterale Komplikationen zu vermeiden. Für einige Presseorgane, wie Hürriyet und Tercüman, war aber schon vor dem Verfahren klar, daß die Sicherheitsbehörden den Nachweis erbracht hatten, daß Deutschland und die Deutschen die separatistische Bewegung im Südosten der Türkei unterstützen.

Unter ähnlichen Prämissen waren noch am 22.November der für das ZDF arbeitende Michael Enger und sein Dolmetscher Yavuz Fersoglu an dem gleichen Grenzübergang verhaftet worden und – wiederum ohne Kontakt zur Außenwelt – über drei Tage und Nächte, teilweise mit verbundenen Augen und unter massiven Drohungen erst von der regulären, dann von der politischen Polizei, schließlich vom Geheimdienst MIT verhört worden.

Stephan Waldberg wurde noch eher wie ein einheimischer Journalist behandelt, obwohl etliche seiner Kollegen schlimmerer Folter ausgesetzt sind. Türkische und kurdische Journalisten, die über Menschenrechtsverletzungen durch die türkischen Sicherheitskräfte berichten oder in Verdacht geraten, Informationen über Guerillakämpfer weiterzugeben, sind beständig in Gefahr, inhaftiert, gefoltert oder, wie in diesem Jahr schon in 11 Fällen, durch vom Staate geduldete Todesschwadrone oder in zwei Fällen Killerkommandos der PKK ermordet zu werden. Erst am 1.Dezember wurde in Antalya der kurdische Politiker Idris Celik von einer Todesschwadron ermordet. Helmut Oberdiek