AKW nee: Der Einstieg in den Ausstieg

■ Stromkonzerne legen Papier zum geregelten Rückzug aus der Atomenergie vor

Hannover (taz) – Behält der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder recht, ist die Bundesrepublik spätestens im Jahr 2023 AKW-frei. Nach neun Monaten intensiver Verhandlungen mit den beiden größten deutschen Stromkonzernen Veba und RWE liegt jetzt ein Memorandum vor, das als Fahrplan für den Ausstieg interpretiert werden kann. Danach sind sich Stromwirtschaft und die rot-grüne Landesregierung in Hannover einig, daß von den bestehenden Reaktortypen keine neuen mehr gebaut werden und die laufenden in noch zu klärenden Zeitspannen abgeschaltet werden. Die Stromkonzerne wollen sich zwar eine Option für die zukünftige Nutzung des Atoms zur Energiegewinnung offenhalten, erklären allerdings, daß neue AKWs nur noch mit breitem gesellschaftlichen Konsens, beispielsweise einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag, gebaut werden sollen. Als Erfolg feiern die Niedersachsen, daß die Stromkonzerne auf das seit Jahren umkämpfte Endlager für hochradioaktive Stoffe in Gorleben verzichten wollen, wenn sie dafür schwach radioaktive Stoffe in Schacht Konrad einlagern dürfen.

Ein Schreiben dieses Inhalts, unterzeichnet von den beiden Vorsitzenden der Stromkonzerne Veba und RWE, Klaus Piltz und Friedhelm Gieske, liegt seit einigen Tagen in Bonn vor. Am 18. Dezember soll ein Gespräch mit Kohl dazu stattfinden. Die AKW-Betreiber des Bayernwerks wollten sich dem Papier nicht anschließen. Von einem Ausstieg aus der Atomwirtschaft kann nach Meinung der Bayern keine Rede sein. Siemens, deren Kraftwerksunion die deutschen AKWs baut, wollte sich nicht äußern. Im Unterschied zu Schröder las Umweltminister Töpfer, der bei den Verhandlungen außen vor blieb, aus dem Papier ein Bekenntnis der Konzerne zur Atomenergie heraus. Nach Ansicht Töpfers zeigt die SPD mit diesem Papier, daß sie endlich bereit sei, die „Nutzung bestehender Anlagen bis zum Ende ihrer vorgesehenen Lebensdauer zu akzeptieren“. Tatsächlich ist der nicht vorhandene verbindliche Zeitplan zum Ausstieg für alle bestehenden AKWs der schwächste Punkt der Vereinbarung. Die Stromindustrie geht von einer maximalen Laufzeit eines AKWs von 35 Jahren aus. Trotzdem wurde das jetzt bekannt gewordene Konzept auch von den Umweltverbänden und Anti-AKW-Initiativen als „Atomkurswechsel“ begrüßt. Von der BI Gorleben – „natürlich ist das toll“ – bis zu Robin Wood – „endlich kommt Bewegung in die Sache“ – wollen jetzt aber alle Genaueres wissen. Auch Hessens Umweltminister Fischer ist so lange skeptisch, bis Endlagerung, Plutoniumverbleib und Abschaltplan genauer geklärt sind. Als Diskussionsgrundlage sei das Memorandum aber sehr positiv. Seiten 3 und 12