Blinde Unschuld im Kriegsgewirr

Die Reihe der vergessenen, durch das „Junge Forum“ der Musikhochschule wiederentdeckten Opern erweitert sich um eine lohnende Ausgrabung: Regiestudentin Carolyn Sittig wählte Karl Amadeus Hartmanns Simplicius Simplicissimus, um mit einfachsten Mitteln ihr Können unter Beweis zu stellen. Das 1935 nach Grimmelshausen entstandene Werk richtet sich „gegen Krieg und Gewaltanwendung jeglicher Art“.

Eine Frau spielt den Simplicius, einen Kaspar Hauser, der die Sprache kennt, aber noch nichts weiß, vom Grauen der Welt, dem 30jährigen Krieg. Pei-Lin Liao von der Hochschule der Künste Berlin springt im weißen „reinen“ Gewand kindlich verspielt über die Bühne, verschreckt den imaginären Wolf mit futuristischer Wasserpistole, erlebt dann plötzlich die menschliche Gewalt und lernt Schmerz und Tränen kennen.

Carolyn Sittig konzentriert sich fast choreographisch auf die Bewegungen der Menschen und verwendet Requisiten äußerst sparsam. Die nur mit wenigen Aschehaufen bedeckte Bühne (Heinz Gellrich) bleibt nach hinten durch eine gerundete, weiß-transparente Wand abgeschirmt. Sie dient als Projektionsfläche für Farben und Schatten, läßt die hinter ihr gespielten Sequenzen halb sichtbar erscheinen.

Hartmanns modern-dramatische Musik, durchsetzt mit Volkslied- oder Choralklängen, kommt unter Michaels Schmidtsdorffs Leitung gut zur Geltung. Pei-Lin Liaos klarer Sopran, sowie die Stimmen der weiteren Solisten tragen die Melodiebögen und Rezitative sicher vor.

Inszenatorisch wie musikalisch besticht vor allem das letzte Bild: Auf der Bühne zeugen die abgelegten Chorgewänder vom Massensterben, während die dekadente Gouverneursgesellschaft darauf tanzt und feiert. Erst nach Simplicius Traumdeutung erkennen die Mächtigen die drohende Gefahr der Massen und geraten immer stärker in hilflose Panik bis zum blutigen Umsturz. Niels Grevsen

Weitere Vorstellungen: 6., 8., 10., 12., 14. Dezember, jeweils 20 Uhr