Dem letzten Runden Tisch knicken die Beine weg

■ Entwicklungspolitische Organisationen schlagen Alarm: Kahlschlag droht

Berlin. Es ist nicht leicht, vom Symbol der Wende zur Institution der Bundesrepublik zu werden. Was für die Bürgerbewegungen längst zur bitteren Erkenntnis geworden ist, gilt auch für den letzten verbliebenen „Runden Tisch“ der ehemaligen DDR, der sich noch immer zweimal jährlich versammelt, um über Entwicklungspolitik zu diskutieren.

Saßen zur Gründerzeit noch VertreterInnen des neugebildeten DDR-Entwicklungshilfeministeriums mit am Tisch, läßt sich heute vom nunmehr zuständigen Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) niemand mehr blicken. Wissenschaftliche Institute und die Parteien, die am Anfang mit dabei waren, sind entweder abgewickelt oder haben das Interesse verloren. Seiner Funktion als Bindeglied zwischen Bürgerbewegung und Staatsmacht beraubt, ist der Runde Tisch nurmehr „ein Versuch von Ostgruppen, noch irgendwo gemeinsam miteinander zu reden“, meint Anita Mehnert, Mitarbeiterin der Gesellschaft für Solidarische Entwicklungszusammenarbeit (GSE).

Probleme für die entwicklungspolitischen Gruppen gibt es allerdings zuhauf, und so schlugen die TeilnehmerInnen der letzten Sitzung des Runden Tisches am 13.November Alarm: Die ABM- Programme, mit denen sich fast alle Nichtregierungsorganisationen der neuen Bundesländer über Wasser halten, gehen im nächsten Jahr zu Ende. Und neue ABM- Stellen wird es kaum geben, wenn es bei den bisherigen Vorstellungen der Bundesregierung und der Bundesanstalt für Arbeit bleibt. Selbst Organisationen wie die Entwicklungspolitische Gesellschaft (EPOG) und die GSE, die sich selbst schon zu den „etablierten Ost-Gruppen“ rechnen, könnten ihre Geschäftsgrundlage verlieren. „Die ersten ABMs in entwicklungspolitischen Organisationen laufen im März aus. Das setzt sich dann bis November fort, und danach ist Kahlschlag“, befürchtet Bert Maciy von „OIKOS Eine Welt“ in Berlin. OIKOS selbst verfügt derzeit über drei ABM-Stellen, die im Oktober/November 1993 auslaufen. „Wir haben bewußt schon nur Kurzzeitprojekte übernommen, die bis zum Dezember 1993 abgeschlossen sein werden. Das können wir zwar noch sicherstellen, aber wenn dann unsere Stellen wegfallen, können wir keine neuen Projekte mehr übernehmen, obwohl es dafür Finanzierungsmöglichkeiten gibt“, erklärt Maciy die Schwierigkeiten.

Die Gruppen vom Runden Tisch wollen nun lautstark an die Öffentlichkeit treten. Auf der letzten Sitzung wurde eine Arbeitsgruppe beschlossen, die genaues Zahlenmaterial über die ABM- Problematik in den entwicklungspolitischen Organisationen und Ausländerinitiativen in der ehemaligen DDR liefern soll. Anfang Januar will die Arbeitsgruppe diese Studie vorlegen. Auf der Grundlage der Zahlen sollen dann Gespräche mit der Bundesregierung und der Bundesanstalt für Arbeit geführt werden.

Schlagen die Verhandlungen fehl, wird sich auch der Runde Tisch weiter leeren. Schon jetzt kommen kaum noch Ehrenamtliche zu den Sitzungen; die ABMlerInnen bleiben unter sich. Bernd Pickert