■ Ami-Fast-food wird immer beliebter in Mexiko: Der Untergang der Tortilla
Mexiko-Stadt (dpa) – Die mexikanische Mahlzeit, nachmittags oder am späten Abend oft genug über drei gemütliche und feucht- fröhliche Stunden hin zelebriert, ist in Gefahr. Die Bedrohung kommt – wie so oft in Mexikos Geschichte – aus dem Norden. Amerikanische Fast-food-Ketten überschwemmen das Land der Azteken und Mayas mit fettigen Hamburgern, mayonnaisigen Roastbeef-Sandwiches und gebackenen Hühnerschenkeln. Und zum Entsetzen kulinarischer Nationalisten haben sie riesigen Erfolg, vor allem bei jungen Mexikanern. Viele traditionelle Restaurants und vor allem viele Essenstände, die es überall in Mexiko an nahezu jeder Straßenecke gibt, könnten dabei auf der Strecke bleiben.
Einige Kulturkritiker sehen mexikanische Traditionen in Gefahr. „Was soll aus unserer Tortilla-Kultur werden“, klagte kürzlich der Schriftsteller Homero Aridjis – aus jener jahrtausendealten Kultur, die mit Mais, Chilis, Bohnen, Tomaten, Früchten oder Schokolade die würzigsten, einfallsreichsten, nahrhaftesten und billigsten Speisen gezaubert hat. Aus jenen Ständen, an denen in endlosen Variationen Maisfladen mit Zucchini- Blüten, mit Käse gefüllte Paprikas, gebratenes Hühner- und Schweinefleisch oder Cocktails aus rohem Fisch, Krabben, Muscheln und Krebsen angeboten werden – und an denen sich Mexikaner auch im Stehen noch Zeit für ihr Essen und einen Plausch nehmen.
Ernährungswissenschaftler stellen derweil den Nährwert einer Torta – eines Brötchens, das mit Avocado, Tomaten, Salat, verschiedenen Fleischsorten und Chilis belegt wird – gegen den eines Hamburgers. Und sorgen sich darum, daß die Fans von Hamburgern und gebackenen Hühnerteilen vor allem Fett und Kohlehydrate zu sich nehmen. Doch der Trend scheint unaufhaltsam. Unter den jungen Angehörigen der wieder erstarkenden Mittelschicht wächst die Zahl jener, bei denen von der traditionellen Haßliebe zu allem Amerikanischen nur noch die Liebe übriggeblieben ist. Mexikanische Yuppies sind durchgestylt made in U.S.A. – vom Auto über die Hose bis hin zum Zellulartelefon. Wie ein Omen für das, was noch alles folgen könnte, lesen sich da Meldungen, nach denen kürzlich die US-Kette Taco Bells in Mexiko ihre ersten Stände eröffnet hat, den Mexikanern ausgerechnet ihre Nationalspeise par excellence, Tacos, verkauft – und damit auch noch Erfolg hat.
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