Wenn das niemand drucken will...

■ ...wer soll es dann lesen? Diane Noomin, VCartoonistin aus San Francisco, über Zensur, Frauencomics und die Hürden der Verfremdung

Die Hauptfigur in Ihren Comics heißt Didi Glitz, eine etwa 40jährige Middle- Class-Frau aus jüdischer Familie. Sind Sie das?

Diane Noomin: Didi Glitz ist ein theoretischer Kommentar auf die Frau, zu der ich mich als junges Mädchen nie entwickeln wollte. Sie wuchs – wie ich – in den frühen sechziger Jahren in Brooklyn, New York, auf. Als Teenager war ich von lauter furchteinflößenden Frauen umzingelt, die alle diese hochtoupierten Frisuren hatten. Didi Glitz ist eine alleinstehende Frau, die versucht, auf ihre verrückte Art und Weise mit ihren Problemen fertigzuwerden: sie muß ihre 13jährige Tochter großziehen, hat wenig Geld, ist oft unglücklich verliebt. Ich kann sie in jede Umgebung setzen, die ich interessant finde. In einigen Geschichten ist sie verheiratet, in anderen ist sie lesbisch; manchmal ist sie eine Hausfrau, dann wieder eine Kriminalkommissarin. Sie ist ein sehr flexibler Charakter.

Wann hatten Sie die Idee zu Didi Glitz?

Das war 1972. Den Anstoß dazu bekam ich über einen ziemlich blöden, zotigen Cartoon, in dem ein Mr.Glatz die Hauptrolle spielte. Das Wort Glitz kommt aus dem Jiddischen, man kann es mit „exzessiv“ übersetzen. Ein Jahr später erschien dann mein erster Didi- Glitz-Comic.

Wie entwickeln Sie Ihre Geschichten?

Manchmal habe ich ein vorgegebenes Thema. Zur Zeit zeichne ich einen Cartoon für die Comic- Zeitschrift Young Lust, which comes out periodically and erotically. Im Oktober habe ich einen Didi- Glitz-Strip für die Satirezeitschrift Nose gezeichnet, die ist so ähnlich wie die deutsche Titanic. Die Redakteure wollten was Politisches; herausgekommen ist die Geschichte George Bush begged me to abort our love-child. Das war ein politischer Kommentar zur Abtreibungsdebatte in den USA, der mir viel Spaß gemacht hat. Im Wahlkampf wurden die Affären von Clinton unheimlich hochgespielt, George Bush hat angeblich keine gehabt.

Hatte der nicht was mit einer Sekretärin?

Natürlich hatte der Affären, aber sie kommen nicht raus. Barbara Bush war doch nicht die First Lady, sie war die First Grandmother. Aber George Bush war der Boss vom CIA, der weiß, wie man bestimmte Sachen unter dem Deckel hält. In meiner Geschichte hat Didi Glitz während der Watergate-Zeit eine Affäre mit Bush. Meine Arbeit hat zwar viel mit mir selbst zu tun, es geht mir aber immer darum, etwas oder jemanden zu demaskieren.

Warum zeichnen Sie Comics? Aus politischen Gründen, weil Sie Feministin sind?

Ich zeichne Comics nicht, weil ich Feministin bin. Ich bin Künstlerin, ich habe eine Ausbildung auf einer Kunsthochschule genossen. Zunächst habe ich Bilder gezeichnet und parallel dazu Geschichten geschrieben. Die Idee, die Bilder und Texte dann miteinander zu verknüpfen, hat mich damals sehr fasziniert. Comics sind für mich die interessanteste Kunstgattung überhaupt. Ich bin Feministin, aber deshalb zeichne ich nicht, obwohl viele meiner Sachen sehr politisch sind. Allerdings weiß ich, daß viele Frauen, die sich für Feministinnen halten, mich nicht als Feministin bezeichnen würden – hier in den USA und in Deutschland sicher auch. Es gibt Leute, die mit Ironie nicht klarkommen. Die sagen mir: Du solltest Frauen zeichnen, die Heldinnen sind, die gut aussehen, die stark sind. Das finde ich langweilig. Ich interessiere mich auch für Schwächen. Obwohl ich glücklich verheiratet bin, sind die meisten Männer, die in meinen Geschichten auftauchen, übrigens ziemliche Vollidioten. Ich nehme mir das gar nicht vor, die so darzustellen, es passiert einfach. Vermutlich hängt das mit meinem reichen Erfahrungsschatz zusammen.

Also sind Ihre Storys durchaus autobiographisch?

Im August war ich auf einer Comic-Messe in San Diego. Dort traf ich meine Freundin Aline Crumb...

...die Frau von Robert Crumb?

Genau die. Sie zeichnet sehr persönliche Geschichten. Sie taucht in den Comics auf, ihr Mann auch, ihre Mutter. Ich mag ihre Sachen, aber mir würde dieses mikroskopische Betrachten meines Privatlebens sehr schwerfallen. Ich bevorzuge es, mich hinter meinen Charakteren zu verstecken. Diese Verfremdung gelingt mir aber nicht immer. Auf dieser Messe in San Diego traf ich einen Cartoonisten, mit dem ich vor 20 Jahren mal eine Affäre hatte. Diese Sache habe ich in einer Didi-Glitz-Geschichte verarbeitet – und er hat sich wiedererkannt. Das war mir sehr unangenehm.

Wer war der Cartoonist und wie heißt die Geschichte?

Das sag' ich lieber nicht (lacht).

Halten Sie diesen autobiographischen Zugang für typisch in Frauen-Comics?

Viele Zeichnerinnen machen das so. Es gibt auch einige Männer, zum Beispiel Robert Crumb, die so arbeiten. Aber Frauen mögen es offenbar eher als Männer, über ihre Gefühle zu reden (genervter Tonfall)...

...woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß junge Zeichnerinnen zunächst mal ihre eigene Geschichte verarbeiten wollen, weil sie die für interessant genug halten.

Die meisten Comics, die auf dem Markt erhältlich sind, wurden von Männern gezeichnet. Die meisten Käufer dieser Comics sind ebenfalls männlich. Wieso?

Die großen Comic-Verlage in den USA – Marvel und DC – veröffentlichen doch nichts anderes als männliche Sexphantasien. Starke Männer retten schwache Frauen vor riesigen Schlangen. Es wäre interessant, mal psychoanalytisch zu untersuchen, was hinter solchen Bildern steckt. Die meisten Fans von Superman sind doch in körperlicher Hinsicht das genaue Gegenteil. Auf dieser Comic- Messe in San Diego liefen im wesentlichen dicke, unsportliche Kerle herum. Die sahen alle gleich aus. Diese Jungs träumen davon, eines Tages der großartige Held zu sein. Aber auf dem alternativen Comic-Markt ändert sich das. Es gibt schon jetzt eine große Zahl von intelligenten Lesern, die mit diesem konventionellen Superman-Kram nichts mehr zu tun haben wollen. Auch der Erfolg von „Twisted Sisters“ ist ein Beispiel dafür, daß der Markt sich verändert hat. Unser Buch wird übrigens auch von vielen Männern akzeptiert und gelesen. Ihnen hat es ja offenbar auch gefallen.

Ich hab' mich kaputtgelacht. Können Sie mit Comics eigentlich alles ausdrücken, was Sie wollen, oder hat das Medium Grenzen?

Eigentlich kann ich alles ausdrücken. Manchmal gibt es aber Probleme wegen pornographischer Zeichnungen. Dann stoße ich auf juristische Grenzen. In „Twisted Sisters“ geht es oft um Sexualität, ich hatte erst Angst, daß der Penguin-Verlag da Ärger macht. Glücklicherweise war das nicht so, der Verlag ist sehr liberal. Die einzige Befürchtung, die die hatten, war, daß sich jemand in den Geschichten wiedererkennt und gegen uns klagt. Wir mußten also alle Namen verändern. Außerdem darf das Buch nur an Erwachsene verkauft werden, Amerika ist sehr prüde. Ich bin gegen jede Zensur, ich glaube an die Freiheit künstlerischen Ausdrucks. Ich würde auch Sachen verteidigen, die mir nicht gefallen. Diesen ganzen Family- Values-Stuff finde ich ziemlich ekelhaft. Damit wird doch nur von den eigentlichen Problemen in diesem Land abgelenkt – der Arbeitslosigkeit, der ökonomischen und ökologischen Krise.

Sexualität spielt in den Didi- Glitz-Geschichten eine große Rolle. Wurden Sie deshalb schon von Frauen kritisiert?

Nicht direkt. Ich erfahre das meistens über andere. Diese Frauen glauben, daß es gefährlich ist, Sexphantasien zu veröffentlichen, weil es Männer geben könnte, die das als Anleitung zum

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Handeln mißverstehen könnten. Ich halte aber nichts davon, Frauen mehr zu beschützen, als es nötig ist. Außerdem haben wir Power, wir sollten uns nicht immer so klein machen. Es erschreckt mich, zu sehen, daß es Feministinnen in den USA gibt, die in Fragen der Zensur dieselbe Auffassung vertreten wie der rechte Flügel der republikanischen Partei. Wenn es um Pornographie und Zensur geht, arbeiten plötzlich Leute zusammen, die sich in der Abtreibungsfrage feindlich gegenüberstehen.

Gab es Probleme mit der Zensur bei „Twisted Sisters“?

Nicht mit dem Staat, aber mit der Druckerei in Georgia. Das ist ein Riesenbetrieb, der von Penguin eine Menge Aufträge bekommt. Außerdem drucken die Newsweek und Time. Als die Drucker die Vorlagen für „Twisted Sisters“ sahen, haben sie gestreikt. Das war ihnen zu pornographisch, zu feministisch und was weiß ich. Der Besitzer der Druckerei hat es dann abgelehnt, das Buch zu drucken. Penguin mußte sich eine neue Druckerei suchen. Ich war natürlich sehr froh, daß Penguin das Projekt nicht gestoppt hat. Die hätten sich ja auch überlegen können: wenn das schon niemand drucken will, wer soll das dann lesen?

Wieviel wurden bisher verkauft?

Die erste Auflage ist vergriffen. Das waren 15.000 Stück. Ich bin jetzt ziemlich gespannt darauf, wie das Buch in Deutschland ankommt. Ich weiß nicht, wie monolithisch die Frauenbewegung in Deutschland ist...

...soweit ich weiß, ist sie nicht so einheitlich, wie das auf den ersten Blick erscheinen mag...

...wir hatten vor kurzem eine Präsentation des Buches in einem linken Buchladen hier in San Francisco. Als ich in den Siebzigern meine ersten Geschichten veröffentlicht habe, wurde ich sehr angegriffen. Meine Sachen waren nicht politically correct. Heute können die Frauen viel besser mit Satire und Ironie umgehen. Es hat mich besonders gefreut, daß in dem Buchladen jetzt sehr viele junge Frauen waren, die mir gesagt haben: Ich habe mich wiedergefunden in diesem Buch. Und ich habe sehr gelacht.