Sanssouci
: Nachschlag

■ Ein Publikumsgespräch im Schillertheater

Das Schillertheater will mobilmachen. Ausgelöst durch unterschiedlichste Reaktionen auf die letzte Premiere des Hauses — „Die schöne Fremde“ von Klaus Pohl, einem Stück über Fremdenhaß, Frauenverachtung und Deutsche Schäferhunde – lädt das Regieteam jetzt nach jeder Vorstellung zu einem Publikumsgespräch ein. Am Sonntag abend gingen neben dem Ensemble, dem Regisseur Wilfried Minks und zwei Dramaturgen auch je ein Kritiker von der Süddeutschen Zeitung und vom Tagesspiegel in die erste Runde.

Erstaunlich viele Zuschauer im Alter von siebzehn bis siebzig waren zu später Stunde noch der Einladung ins Rangfoyer gefolgt, und wirklich entspann sich gleich nach der Eröffnungsrede des neuen Chefdramaturgen Frank Busch eine heftige Diskussion mit Angriffen sowohl auf das Stück als auch auf die Inszenierung. Aber anders als vorgesehen, drehte sich das Gespräch weniger um das angekündigte Thema „Wie aktuell darf Theater sein?“, sondern konzentrierte sich lange auf ästhetische Fragestellungen. Dabei wurden die in der Inszenierung verwendeten Darstellungsweisen von einigen Zuschauern scharf verurteilt. Man dürfe, so ein offenbar theaterkundiger Herr in den Vierzigern, nicht auch noch auf dem Theater mit den Mitteln des Fernsehens arbeiten; Naturalismen wie die hier gezeigten bekäme das Publikum schon jeden Abend ins Wohnzimmer geliefert. Wilfried Minks reagierte fast gekränkt und setzte dagegen, er habe die heutige Vorstellung gesehen und sich gefreut, daß das Publlikum – abgesehen von einigen wenigen, die die Aufführung schon vor der Pause verlassen hatten – sehr konzentriert zugeschaut habe. Es sei kein Husten zu hören gewesen.

Als Minks später vorgeworfen wurde, der Schlüsselszene des Stücks jegliche Dramatik genommen und sie auf Albernheiten reduziert zu haben, erhob sich unter den bisher stummen Zuschauern ein Proteststurm. Die Verteidiger der Inszenierung preschten nach vorn. Für und Wider wurden vorgebracht; die gegensätzlichen Meinungen der Ästheten auf der einen Seite und der vom Plot des Stückes Beeindruckten verfestigten sich.

Eine junge Frau brachte die Kontroverse auf den Punkt: „Wir, die wir heute abend da sind, mögen verschiedene Meinungen zum Stück und zur Inszenierung haben. Aber wir alle stehen dem Problem der Ausländerfeindlichkeit offen gegenüber und fühlen uns durch das Thema des Stücks nicht provoziert. Wenn ich sehe, daß der erste Rang geschlossen ist, weil die Nachfrage nach Karten nicht groß genug ist, so bin ich der Meinung, das Theater sollte die Karten billiger verkaufen oder verschenken und damit zum Beispiel Jugendliche anlocken, mit denen wir uns hier eigentlich auseinandersetzen müßten.“ Ob die damit Gemeinten den Weg ins Schillertheater fänden, ist ungewiß. Einen Versuch wäre es allemal wert, die Diskussionen gingen dann möglicherweise über formalistische Fragen hinaus. burk

Nächste Vorstellungen mit anschließender Diskussion: 13., 16. und 22.12., jeweils 20.00 Uhr