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■ Scharfe Kritik von Grünen und FlüchtlingsorganisationenEin neuer Palisadenzaun

Die vereinbarte Änderung des Asylgrundrechts ist von den meisten Bonner Politikern in den höchsten Tönen gelobt worden. Proteste und kritische Nachfragen gab es nur bei den Grünen, den Jusos und den Flüchtlingsorganisationen.

Für die Grünen erklärten deren Vorstandssprecher Ludger Volmer und Christine Weiske, Deutschland umgebe sich wie mit einem Palisadenzaun lückenlos mit Drittländern, die den Unterdrückten und Bedrohten aller Kontinente den Weg ins deutsche Asyl versperrten. „Die Methode der Abschottung, die SPD, CDU/ CSU und FDP gefunden haben, ist so effektiv wie ein Schießbefehl an den Grenzen, auch wenn sie eleganter wirkt. De jure gelten Asylrecht und Rechtswegegarantie weiter, de facto sind sie weitestgehend abgeschafft.“ Die Grünen wollen in den Ländern, in denen sie mitregieren, dem Kompromiß ihre Zustimmung versagen. Der Bonner Beschluß soll außerdem auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft und gegebenenfalls Verfassungsklage eingelegt werden.

„Zu einer solchen Regelung wird es von Hessen aus mit den Grünen keine Zustimmung im Bundesrat geben.“ Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im hessischen Landtag, Rupert von Plottnitz, ließ keinen Zweifel an der Haltung der grünen Koalitionäre. Mit Verweis auf die Koalitionsvereinbarungen, in denen die Zustimmung des Landes zu einer Änderung des Asylrechtsartikels definitiv für „ausgeschlossen“ erklärt wurde, bekräftigten die Grünen, ihr Umweltminister Joschka Fischer werde im Bundesrat den Arm für für den „sogenannten Kompromiß“ nicht heben. Für von Plottnitz haben die „vereinigten Verfassungsänderer“ dafür gesorgt, daß in Zukunft nur noch solche Asylbewerber in der Bundesrepublik vorgelassen würden, die nachweisen könnten, „daß sie als politisch Verfolgte vom Himmel gefallen sind“.

Die SPD-Nachwuchsorganisation, die Jusos, lehnten den Asylkompromiß ebenso kategorisch ab. Sie forderten das SPD-Präsidium und Parteichef Björn Engholm auf, „der De-facto-Abschaffung des individuellen Rechts auf politisches Asyl nicht zuzustimmen“. Sie kündigten an, gegen jeden der SPD-Bundestagsabgeordneten, der dem „faulen Asylkompromiß“ zustimmen werde, einen eigenen Juso-Kandidaten für die nächsten Bundestagswahlen aufzustellen.

Als „Ausverkauf des Grundrechts auf Asyl“ kritisierte auch die IG Medien die Bonner Einigung. Gewerkschaftschef Hensche forderte die SPD-Bundestagsabgeordneten auf, dem Kompromiß nicht zuzustimmen. Hensche sprach von einem „menschenverachtenden juristischen Wall“, der die meisten Flüchtlinge aussperre.

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP), begrüßte dagegen die Einigung: „Natürlich muß sich die Wirksamkeit, aber auch die Anwendbarkeit mancher Bestimmungen erst in der täglichen Praxis erweisen.“ Erfreulich sei, daß Asyl und Zuwanderung „endlich als Einheit“ diskutiert würden. Es dürfe aber nicht bei Absichtserklärungen bleiben. So sei bei der angestrebten Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechts von einer doppelten Staatsbürgerschaft nach wie vor nicht die Rede.

„Das Asylrecht einfach weggeworfen“

„Nicht einmal verkauft hat die SPD das Grundrecht auf Asyl“, sagte der niedersächsische Bundesratsminister Jürgen Trittin gegenüber der taz. Sie habe es einfach „zu den Akten“ gelegt – ohne Gegenleistung. „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht außerhalb der Bundesrepublik“, lautet für den Grünen-Minister im Klartext das Ergebnis der Verhandlungen der Altparteien. „Als sozialdemokratischer Verhandler“ würde er sich „damit nicht nach Hause trauen, weil im Grunde – in eine Verfahrensregel gekleidet – die CSU-Position übernommem wurde“. Trittin hat von vornherein Schlimmes von den Asylverhandlungen erwartet und ist jetzt dennoch „bestürzt über das Ausmaß an Opportunismus auf Seiten der SPD“. Die auf dem SPD-Sonderparteitag noch heftig kritisierte Länderlistenregel solle nun gleich doppelt eingeführt werden. „Flüchtlinge, die aus sogenannten verfolgungsfreien Staaten stammen, sollen im Grundsatz als nicht mehr asylberechtigt gelten“, sagt Jürgen Tritten, „und darüber hinaus und noch viel schlimmer sollen alle, die über sogenannte verfolgungsfreie Länder einreisen, von vorherein kein Asylrecht mehr haben“. Wer auf dem Landweg die BRD erreiche, habe damit von vornherein kein Asylrecht mehr. Für Flüchtlinge, die aus sogenannten verfolgungsfreien Ländern stammten, gelte außerdem im Verfahren faktisch nicht mehr die Rechtschutzgarantie. Hier sei ein extrem verkürztes, nur noch „formelles schriftliches“ Verfahren vorgesehen, in dem die von vornherein geltende Vermutung „nicht verfolgt“ kaum zu widerlegen sei.

Das „faktische Ergebnis“ der Verhandlung der Altparteien ist für den Grünen „die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl – die Zer-Stoiber-ung der Verfassung“. Nicht einmal Gegenleistungen der CSU sieht er. Ein Einwanderungsgesetz wolle man nur unverbindlich prüfen. „Eine Beerdigung dritter Klasse.“ Auch der Status der in der Bunderepublik lebenden Ausländer werde nicht verbessert. Eine Doppelstaatsbürgerschaft sei weiterhin nicht vorgesehen und auch keine generelle deutsche Staatsbürgerschaft für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern. Es bleibe beim „Ius Sanguinis“, bei dem auf Blut oder Abstammung beruhenden Staatsbürgerschaftsrecht. „Gerhard Schröder hat auf dem Sonderparteitag für die SPD die Kröte Asylrechtsänderung schluckfähig gemacht“, beschreibt Jürgen Trittin die Rolle seines Ministerpräsidenten bei der faktischen Abschaffung des Asylgrundrechts. „Nur wußte Schröder wohl damals noch nicht, wie häßlich diese Kröte sein wird.“

Nach Einschätzung Trittins werden die Grünen in den Ländern, in denen sie an Regierungskoalitionen beteiligt sind, den Kompromiß nicht mittragen. Bereits nach dem SPD-Sonderparteitag hatte ein Treffen in Bonn ergeben, daß sie eine Änderung des Grundgesetzes auf der SPD-Beschlußlage für nicht zustimmungsfähig halten. Was jetzt auf dem Tisch liege, könne man nur noch schroff zurückweisen, sagt Trittin und ist sich sicher, daß die grün mitregierten Länder „dieser Abschaffung des Asylrechts im Bundesrat nicht zustimmen werden“. Jürgen Voges

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