Fast alle reisen über Land ein

■ Asyl-Kompromiß: Die meisten Hamburger Asylbewerber werden vermutlich in Drittländer abgeschoben / Vier Fluchtgeschichten, die sich keiner mehr anhören wird

: Die meisten Hamburger Asylbewerber werden vermutlich in Drittländer abgeschoben / Vier Fluchtgeschichten, die sich künftig keiner mehr anhören wird

Von den 14000 Flüchtlingen, die in diesem Jahr in Hamburg Asyl suchen, werden nach der neuen Regelung die wenigsten bleiben können. Schon heute wird nur Flüchtlingen aus Bosnien, Kroatien, Afghanistan und dem Irak Asyl gewährt (rund 26 Prozent). Alle übrigen Asylbewerber schiebt die Hansestadt früher oder später ab.

Die meisten der künftigen, aber auch der bereits hier lebenden Asylbewerber werden vermutlich über die Drittland-Regelung ausgesiebt. Nach Einschätzung der Ausländerbehörde reisen über 70 Prozent der Asylbewerber aus Osteuropa, der Türkei, aber auch aus Afrika über den Landweg ein. Wem es dennoch gelingt, ein Flugticket oder eine Schiffspassage ins gelobte Land zu ergattern, der wird über die Liste der sogenannten „sicheren Herkunftsländer“ stolpern, eine Liste, mit der Bundestag und Bundesrat gemeinsam festlegen, in welchen Ländern keine politische Verfolgung stattfindet. Die taz sprach mit vier Menschen, die künfig kein Recht mehr auf Asyl in der BRD haben sollen.

Chale M.: Kam vor elf Monaten nach Deutschland, flüchtete aus Gambia, weil seine Familie politisch verfolgt wurde. Sein Vater sei Mitglied der oppositionellen Natioal Party (NCP) gewesen, berichtet der 19jährige. Am 22. November 1991 wurde der Oppositionelle bei einer Veranstaltung von Vertretern der Regierungspartei getötet. Chale selbst verbrachte eine Woche im Gefängnis. Mit Hilfe eines Parteifreundes kam er wieder frei, über nacht floh seine Familie mit dem Auto außer Landes. Über Senegal, Mali, Allgerien und Frankreich gelangte Chale in die BRD, wo er Asyl beantragte. Nach dem neuen Asylgesetz würde Chales Geschichte in der BRD nicht mehr angehört. Er müßte umgehend nach Frankreich zurück.

Oleg Z.: Lebt seit einem Jahr in der BRD. Flüchtete aus seiner Heimatstadt Donezk in der Ukraine, weil er gezwungen werden sollte, im staatlichen Sicherheitsdienst zu arbeiten. Als Deserteur drohe ihm Gefängnisstrafe, berichtet der 22jährige Student. Auch sei er als ehemaliger Funktionsträger der heute verbotenen KP politisch verfolgt. Oleg kam über Polen in die BRD. Nach dem neuen Asylgesetz müßte er dorthin zurück.

Abdoulie T.: Dem 17jährigen gelang vor fünf Monaten die Flucht nach Deutschland. Es habe an seinem Heimatort Demonstrationen gegen die Regierung gegeben, weil sie willkürlich Grundstücke an Dritte verkaufte, berichtet der Junge aus Gambia. Sein Freund kam ins Gefängnis, ein Verwandter bei der Polizei habe ihm zu Flucht geraten. Er schaffte es, sich in der senegalischen Hafenstadt Dakar auf einem Frachter zu verstecken, der Kurs auf Belgien nahm. Von dort fuhr er weiter in die BRD. Nach dem neuen Gesetz müßte er zurück nach Belgien.

Tarik L.: Der 18jährige Ägypter war in Kairo im Gefängnis. Er hatte politische Probleme, sagt er. Nach seiner Entlassung buchte er einen Flug in die CSFR, von wo aus er zu Fuß nach Deutschland ging. Nach dem neuen Gesetz muß er in die CSFR zurück. Kaija Kutter