Heftige Diskussionen um einen Kinostart

■ Film „Stau“ über Rechtsradikale hatte Premiere/ Buhrufe und Zustimmung

Berlin. Über 80 Minuten herrschte am Montag abend gespannte Stille im Filmkunsthaus Babylon. Angekündigt war der Kinostart des Streifens „Stau – Jetzt geht's los“ von Thomas Heise – ein Film über rechtsgerichtete Jugendliche in Halle-Neustadt, der bereits vor dem Kinostart für Turbulenzen sorgte. Ursprünglich sollte der Film seine Berliner Premiere nämlich im Berliner Ensemble haben. Regisseur Heise ist an der Bühne Regieassistent. In Flugblättern hatten Autonome aber gedroht, die Aufführung zu stören, weil der Film den Faschismus verharmlose. Die angekündigte Vorführung des Films sagte die Leitung des Berliner Ensembles, darunter Heiner Müller, daraufhin ab (siehe den Bericht in der taz vom 3. Dezember).

Am Eingang verteilten linke Jugendliche Flugblätter, in denen zum Boykott des Films augerufen wird. Die Besucher nahmen sie entgegen, überflogen die Zeilen, während sie zu den Sitzreihen gingen. Abhalten ließ sich keiner. Kurze Zeit später gingen im halbgefüllten Kinosaal die Lichter aus, auf der Leinwand erschienen triste Landschaften, graue Plattenbauten, zerfallene Häuser.

Nach und nach läßt der 37jährige Regisseur die rechten Jugendlichen vor die Kamera treten. Ihre Zungen sind schwer, sie haben Schwierigkeiten, sich zu artikulieren. Der Zuschauer hört sie von Langeweile und Arbeitslosigkeit reden, immer wieder von langen Pausen unterbrochen. Dann, etwa nach der Hälfte des Films, reagiert das Publikum erstmals: Alle lachen– Skinhead Konrad mißlingt ein Kuchen.

Vereinzelte Buhrufe ertönen, als die Skins wie beiläufig über ihren Fremdenhaß erzählen. Er möge Ausländer nicht und wolle sie auch nicht kennenlernen, sagt einer, der sich gerade die Stiefel schnürt. Warum, könne er nicht erklären. Ein Kumpel von ihm meint am Ende des Films: „Wir sind normal, nur ein bißchen rechts.“ Einige Zuschauer springen von den Kinositzen hoch. Sie werfen dem Berliner Regisseur vor, die Rechten durch die distanzierte Betrachtungsweise harmlos erscheinen zu lassen.

Ein junger Türke ist fassungslos, weil sich die „Glatzen“ unkommentiert äußern können. Andere finden den Film gut. Er zeige, daß Skins auch Opfer dieser Gesellschaft seien. Der Regisseur, der in der DDR geboren und als Sohn jüdischer Antifaschisten aufgewachsen ist, tritt auf die Bühne und nimmt Stellung zu seinem Film. Die Alltäglichkeit des Faschismus habe ihn herausgefordert, sagt er. Täter seien oftmals zugleich auch Opfer. Wieder gibt es Buhrufe. So ging es hin und her, über eine Stunde. dpa/taz