Als „humanitäre Kavallerie“ in Somalia einreiten

■ US-Militärs sehen in der Intervention den Grundstein einer Neuen Weltordnung

Am liebsten vergleicht Colin Powell, Generalstabschef der US- Armee, den Einsatz in Somalia mit den alten Zeiten in Amerika, als die Dinge angeblich noch etwas einfacher waren. „Das ist vergleichbar mit der Kavallerie, die zur Rettung gerufen wird. Sie stellt die Ordnung wieder her, bis die Marshalls wieder die Kontrolle übernehmen können.“ Letztere wären in diesem Fall die UN- Peacekeeper. Wer mit der Filmgeschichte des Wilden Westens nicht vertraut ist, kann mit der Analogie wenig anfangen. Doch sie bringt auf den Punkt, wie sich führende US-Militärs die Rolle der USA bei Interventionen vorstellen.

Der Traum von der humanitären Kavallerie als Grundstein der Neuen Weltordnung erklärt auch die ungeteilte Popularität von „Operation Neue Hoffnung“ in der amerikanischen Öffentlichkeit. Vor dem Einmarsch der Militärs hat bereits die Intervention der Journalisten stattgefunden: Die Starmoderatoren der großen Fernsehgesellschaften leiten ihre Sendungen seit ein paar Tagen nicht mehr in Schlips und Kragen aus dem New Yorker Studio, sondern im T-Shirt aus einem der „Feeding Centers“ oder vor einer der Ruinen in Mogadischu. So zwiespältig dieser Medienrummel auch sein mag, Fernsehberichte, Kommentare und Leitartikel in den großen amerikanischen Zeitungen haben in den letzten Wochen zweifellos dazu beigetragen, daß man sich in der Bush-Administration zum militärischen Eingreifen entschloß. Über mögliche strategische Interessen der USA in dieser Region wird zur Zeit überhaupt nicht diskutiert. Auch die Einwände einiger, weniger Kongreßabgeordneter, eine Entsendung von Truppen müsse im Einklang mit herrschenden Gesetzen vom Senat abgesegnet werden, verhallen noch ungehört. Das könnte sich ändern, wenn es zu ersten Auseinandersetzungen mit bewaffneten somalischen Gruppen kommt.

Von der anfänglich euphorischen Propaganda, bis zur Amtseinführung des neuen Präsidenten Clinton am 20.Januar seien die US-Truppen wieder zu Hause, will vor allem im Pentagon niemand etwas wissen. Es wird voraussichtlich fünf Wochen dauern, bis die geplante Zahl von 28.000 US-Soldaten überhaupt in Somalia stationiert ist. Die Marines, die heute morgen in Mogadischu gelandet sind, müssen erst einmal den Flug- und Seehafen der Hauptstadt militärisch absichern und soweit reparieren, daß weitere Truppen mit Ausrüstung landen können.

Völlig unklar ist auch, wann die Mission der US-Truppen erfüllt sein soll. Was ist unter Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung zu verstehen? Wer kann sagen, ab wann mehrere Millionen Menschen vor dem Hunger- und Seuchentod gerettet sind? Mit wem soll über den politischen Wiederaufbau des Landes verhandelt werden? Sollen US-Truppen bleiben, bis die Grundlagen für Wahlen wiederhergestellt sind? Fragen, auf die es bislang keine Antworten gibt.

All das allerdings wird nicht mehr das Problem des George Bush, sondern seines Nachfolgers Bill Clinton sein. Der weiß, daß er möglicherweise eine außenpolitische Erblast übernimmt, die seine politische Tagesordnung völlig durcheinanderbringen könnte. Und obwohl er laut Time von den Interventionsplänen erst informiert wurde, als das US-Vorhaben bereits der UNO unterbreitet worden war, kann Clinton schlecht nein sagen. Im Wahlkampf ist er derjenige gewesen, der mehr politisches und militärisches Engagement der USA in internationalen Konflikten gefordert hatte: Im Irak, in Bosnien, in Somalia.

Clinton wird sich nicht nur mit einer möglichen Dauerpräsenz von US-Truppen in Somalia auseinandersetzen müssen. Seine Administration wird mit der Frage konfrontiert sein, ob „Operation Neue Hoffnung“ Präzedenzcharakter für die zukünftige amerikanische Außenpolitik hat. In der Bush-Administration wird Somalia als Einzelfall dargestellt, der auf andere Konfliktherde nicht übertragbar sei. In der US-Presse diskutiert man hingegen schon jetzt über mögliche Interventionen in Haiti, Liberia und vor allem in Bosnien. Man stehe vielleicht vor einer Phase des „humanitären Kolonialismus“, bemerkte der Kommentator der Chicago Tribune. Den aber wolle man lieber unter Führung der Vereinten Nationen durchgeführt wissen.

Wieviel Kolonialismus alter Prägung im diplomatischen Korps der USA zu finden ist, demonstrierte der US-Botschafter in Kenia. Er warnte das Außenministerium in einem Schreiben vor jeder Intervention. „Ich hoffe, Ihr denkt zweimal nach, bevor Ihr die somalischen Teerbabies umarmt“, steht da zu lesen. Die Somalier seien nunmal die geborenen Guerilleros und Killer, daran könne auch das Marinekorps nichts ändern. „Wenn Euch Beirut gefallen hat, dann werdet Ihr Mogadischu lieben.“ Andrea Böhm, Washington