Mit der Landung erster US-amerikanischer Soldaten in Mogadischu beginnt heute die Operation „Neue Hoffnung“. Insgesamt sollen rund 30.000 Soldaten in Somalia landen. Die Intervention wird sich nicht nur auf humanitäre Ziele beschränken können; auch die politische Neuordnung des Landes steht an

US-Truppen landen zur besten Sendezeit

Zwischen Mogadischu und Washington herrscht ein Zeitunterschied von acht Stunden. Wenn also heute im Morgengrauen US- Marinesoldaten in der somalischen Hauptstadt landen, ist es an Amerikas Ostküste noch Dienstag abend, und so können die dortigen couch potatoes das Ereignis live in den TV-Abendnachrichten mitverfolgen. Sie werden dann sehen, wie erste Einheiten aus der 1.800 Mann starken US-Truppe, die gegenwärtig auf drei Schiffen vor der somalischen Küste wartet, aus Hubschraubern auf den Flughafen von Mogadischu herunterklettern und ihn besetzen.

Auf dem somit gesicherten Landeplatz soll danach der Rest der Truppe eintreffen, in den Hafen vordringen und mit schwerem Baugerät die Kapazitäten der Flughäfen in Mogadischu und auch Baidoa vergrößern. Die Soldaten, kontinuierlich durch weitere Einheiten aus den USA und den anderen beteiligten Ländern verstärkt, werden ins Landesinnere vorrücken und Verteilungszentren für die Hungerhilfe einrichten und sichern.

Schon vor dem US-Truppeneinmarsch ist Mogadischu von den US-Fernsehgesellschaften besetzt worden. Korrespondenten in der Stadt vermelden eine explosionsartige Vermehrung von Satellitenschüsseln auf somalischen Dächern. Auch die Preise explodieren: Die Fernsehgesellschaft CNN hat für 17.000 Dollar eine Villa gemietet, der NBC-Vertreter wohnt in einem „Hotel“ zu Vollpension für 160 Dollar die Nacht. Die Preise für Maschinengewehre sind demgegenüber in den Keller gerutscht. In Erwartung einer bevorstehenden Entwaffnung durch die Interventionstruppen wird das somalische Kriegsgerät auf den Markt geschmissen. Zwar steht in der UNO-Resolution 794, die der Intervention zugrunde liegt, von Entwaffnung nichts – aber, wie es Marlin Fitzwater, der Sprecher des Weißen Hauses, ausdrückt: „Wenn sie [die US-Soldaten] auf Waffen stoßen und sie einsammeln können, werden sie es natürlich tun.“ Denn ohne eine Entwaffnung, so fürchten viele, werden nach einem Abzug der US-Truppen prompt wieder Kämpfe ausbrechen. „Somalia ist mit Waffen saturiert, viele davon aus der Zeit, in der es ein Spielzeug des Kalten Krieges für erst die eine und dann die andere Seite war“, schrieb Jessica Mathews, Direktorin des World Resources Institute, in der Tageszeitung Washington Post. „Wenn die meisten der Gewehre noch da sind, wenn die US-Marines und ihre UNO-Nachfolgetruppen gehen, wird das Chaos sofort zurückkehren.“

Die Diskussion macht auch deutlich, daß die Selbstbeschränkung der USA auf reine Sicherung der humanitären Hilfe nicht aufrechtzuerhalten ist. Die Entwaffnung bedeutet einen Eingriff in die innersomalischen Kräfteverhältnisse und ist damit ein politischer Akt. „Wir planen nicht, politische Lösungen zu diktieren“, hatte US- Präsident Bush am Freitag noch erklärt. Doch hat Washington seitdem erkannt, daß eine Militärpräsenz unweigerlich eine politische Präsenz nach sich zieht.

Kopf der politischen Komponente der US-Intervention ist Robert Oakley, früherer US-Botschafter in Somalia und ehemaliger Leiter der Antiterrorismusabteilung im US-Außenministerium. Er verhandelte letzte Woche mit somalischen Politikern auf der UNO-Hilfskonferenz für Somalia in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba und richtete am Montag ein Büro in Mogadischu ein.

Die amtliche Darstellung der Rolle Oakleys ist, daß er mit den Somaliern nicht verhandelt, sondern sie lediglich über die US- Pläne informiert. Doch führte er gestern Gespräche mit den führenden somalischen Politikern Ali Mahdi und General Aidid, die jeweils einen Teil Mogadischus kontrollieren. Aidid wies nach dem Gespräch seine Kämpfer an, sich vom Flughafen der Hauptstadt fernzuhalten, wenn die US-Soldaten landen, lehnte jedoch eine Entwaffnung ab.

Bei ihren Versuchen, eine faktische Aufwertung als Verhandlungspartner zu erreichen, sind die beiden Führer in der Lage, die USA gegen Frankreich auszuspielen. Paris ist in Sachen Somalia-Intervention in einen Wettlauf mit Washington getreten: Nach der ersten US-Landung sollen 2.100 französische Soldaten nach Mogadischu fliegen, und der französische Minister für humanitäre Angelegenheiten, Bernard Kouchner, sprach bereits am Samstag mit Aidid und Mahdi in Dschibuti. Gegenwärtig versucht er, sie zu einem gemeinsamen Treffen am Freitag zu bewegen – es wäre das erste seit Ausbruch des Krieges zwischen den beiden vor mehr als einem Jahr. Abdullah Ahmed Addou, einstiger somalischer Botschafter in Washington und einflußreiche Persönlichkeit in Mogadischu, sagte, ein solches Treffen könne die „Lösung“ des somalischen Konflikts bedeuten – ein klarer Wink an die USA, hier nicht den Anschluß zu verlieren.

Aidid und Mahdi sind derzeit auch dabei, sich in ihren Huldigungen der USA zu überbieten – ohne dabei ihre eigenen Interessen zu vergessen. Die US-Intervention würde die Chancen vergrößern, daß die verschiedenen Gruppen sich einigen, sagte Aidid-Berater Osman Atto, warnte jedoch vor einem eigenmächtigen Vorpreschen der Eingreifer: „Es wird nichts bringen, einfach eine Lösung durchzudrücken.“ Ali Mahdi äußerte die Hoffnung, die USA würden länger als bis zur Amtsübergabe an Bill Clinton bleiben und ihre Mission nicht – wie in Washington angekündigt – zum 20.Januar 1993 beenden. „Sie kommen mit einer klaren Aufgabe. Ich bin sicher, daß sie das nicht in zwei Monaten schaffen.“

Wenigstens für die kommenden beiden Monate werden die bewaffneten Gruppierungen die US-Forderung nach Rückzug von den Einsatzgebieten der Interventionstruppe respektieren. Die noch am Sonntag und Montag umkämpfte Stadt Baidoa blieb gestern ruhig, wie jetzt Mogadischu. Mit der Zeit werden alle somalischen Fraktionen bestrebt sein, sich im Hinblick auf ein „neues Somalia“ eine Rolle als Partner, nicht als Gegner zu sichern. „Sie sehen sich nicht als warlords. Sie sehen sich als Führer. Sie haben ein korruptes Regime gestürzt, also sehen sie sich als Befreier“, sagt Abdullah Ahmed Addou. „Die Amerikaner sind Soldaten, und wir sind auch Soldaten“, erklärte ein Milizionär am Hafen von Mogadischu einem US-Reporter. „Wir werden hier zusammen sein.“ Dominic Johnson