Reförmchen statt Reform?

■ Bürgerschaftsfraktionen uneins über neue Parlament-Hausordnung / Mehr Geld für gleiche Arbeitszeit? / SPD und GAL contra CDU/FDP

Mehr Geld für gleiche Arbeitszeit? / SPD und GAL contra CDU/FDP

Kompromiß- und Lernfähigkeit wollten die Vorsitzenden der vier Bürgerschaftsfraktionen gestern vor der Presse demonstrieren. Optimismus darüber, daß man das Kind „Parlamentsreform“ im nächsten Jahr schon schaukeln werde. Statt dessen lieferten Günter Elste (SPD), Rolf Kruse (CDU), Krista Sager (GAL) und Reinhard Soltau (FDP) den Beleg, daß zwischen den Fraktionen in den wichtigen Fragen kein Konsens herrscht.

Teilzeit- oder Vollzeitparlament, die Höhe der Diäten und die Frage, ob künftig das Abgeordnetenmandat mit einem Job im öffentlichen Dienst/Unternehmen unvereinbar ist (Inkompatibilität), an diesen Punkten spaltet sich das Landesparlament in zwei Lager. Die eine Seite: SPD und GAL. Sie wollen der Enquete-Kommission folgen. Soll heißen: Berufs- statt Feierabend-ParlamentarierInnen, ausgestattet mit 6800 Mark brutto monatlich. Beschäftigte des öffentlichen Dienstes müssen ihren Job ruhen lassen, solange sie in der Bürgerschaft sitzen. CDU und FDP votieren hingegen für ein Teilzeitparlament mit einer niedrigeren Diät.

Ohne die Vorgeschichte des Diätendebakels wäre diese Uneinigkeit nicht weiter ungewöhnlich. Doch das unselige Hickhack um die Entlohnung ihrer Fraktionschefs vor einem Jahr zwingt die Parlamentarier eigentlich dazu, 1993 eine Reform zustande zu bringen, die nicht in den Verdacht einer Diätenerhöhung durch die Hintertür gerät. So versicherten gestern auch Günter Elste und Rolf Kruse: „Wir wollen eine Reform, die von allen Fraktionen getragen wird.“

Doch gerade die beiden großen Fraktionen liegen derzeit besonders weit auseinander. Denn die Christdemokraten sperren sich in den Fragen Professionalisierung und Inkompatibilität. Obwohl in ihrer Fraktion derzeit nur zehn von 44 Abgeordneten (SPD: knapp 40 Prozent der 61 Abgeordneten) von dieser Regelung betroffen wären, betonte Kruse gestern, daß die Mehrheit in seiner Fraktion gegen die Aufgabe des Berufs zugunsten einer Parlamentstätigkeit sei. Wenig verwunderlich, da die CDU- Funktionäre sich aus Gehaltsgruppen rekrutieren, für die die 6800-Mark-Diät einem sozialen Abstieg gleichkäme.

Wenig Beweglichkeit zeigen SPD-, CDU- und FDP-Abgeordnete auch bei der für ein Profi-Parlament nötigen Veränderung der Parlaments-Arbeitszeit, die derzeit frühestens um 16 Uhr beginnt. Warum aber bei gleichem Zeitaufwand FeierabendpolitikerInnen künftig zu BerufspolitikerInnen mit einer erhöhten Diät werden müssen: eine offene Frage. Einzig Krista Sager verwies auf die Enquete- Kommission, die eine frauen- und familienfreundliche und damit früher beginnende Parlamentsarbeit gefordert hatte.

Ob sie nicht Gefahr liefen, bei den anstehenden Verhandlungen jeden Punkt wegzudiskutieren? Nein, keine Gefahr, so die Beteuerung der Fraktionschefs gestern. In den Grundzügen der Parlamentsreform (mehr Rechte für die Bürgerschaft, größere Bürgerbeteiligung) sei man sich doch einig. Sannah Koch