Durchs Dröhnland
: Musik ist,wenn man trotzdem lacht

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Für unsere Freunde des Extremen haben wir den Tip des Wochenendes: Das „Knaackmassaker“ findet mal wieder statt. Es bringt im Paket das, wonach es den FNLer so oft gelüstet. Zu den schon immer massenhaften Fans der sehr viel härteren Gangart haben sich im Osten inzwischen auch die Bands gesellt. Der einzige Lichtblick zwischen all dem Hatecore, Grindcore, Blutcore und Blödcore sind Death Henning, die nicht nur zufällig so ähnlich wie Iron Henning heißen, sondern auch beweisen, daß Musik ist, wenn man trotzdem lacht.

„Grindcore-Night“ am Freitag mit Vaginalmassaker, Death Henning, Manos, Rest In Pain, Dogmatized Machinery, Hardcore-Night am Samstag mit Hammerhead, Intricate, Pink Flamingos, Ulrike am Nagel, jeweils ab 22 im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Epirus ist eine eher karge, gebirgige Landschaft im Grenzgebiet zwischen Albanien und Griechenland. Die Compania Grigoris Kapsalis ist die amtliche Formation, wenn es um die Konservierung der für die epirotische Musik typischen Pentatonik geht. Gerne benutzen die Epiroten die Klarinette, um ihre traurig dümpelnden Rhythmen zu untermalen. Die fünf Sänger und Sängerinnen des Polyphonen Chors sind alle miteinander verwandt, wobei nicht klar wird, ob das eine unabdingbare Voraussetzung ist, um den vor allem im Norden Griechenlands verbreiteten polyphonen Sprechgesang zu zelebrieren. Wem das alles genausowenig sagt wie mir, der sollte vielleicht einfach hingehen und sich seinen Horizont erweitern lassen.

Am 11.12. um 19 Uhr im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten

Ich wußte, daß irgend was fehlte die ganzen letzten Jahre. Jetzt weiß ich, daß es Stephan war. Genau der Krawczyk, den der ehemals beste Musikkritiker der DDR, Erich Honecker himself, damals des Landes verwies. Seit zusammengehört, was besser für immer getrennt geblieben wäre, ist es allzu ruhig um ihn geworden. So ruhig, daß man ihn jetzt mit „Liedern und Texten“ auf Kinder losläßt. Aber er soll sich da mal nicht täuschen, die armen Kleinen haben auch ihre Mittel, sich zu wehren.

Am 11.12. um 20 Uhr im Kindercafé Krabbelkäfer, Behaimstraße 21, Charlottenburg

Irgendwie schon komisch. Alle finden Gallon Drunk gut, „Spex“ sogar besonders toll, für Geisterfahrer Michael Ruff sind sie gar eine von zwei britischen Bands, die er „zutiefst verehrt“, und dann... und dann klingen Gallon Drunk so gar nicht englisch. Kein Geschrammel, nicht die neue Poptheorie, sondern schwitzige Riffs, whiskeygeschwängerte Melodien, ein Taumeln zwischen Barhängerfeeling und Bluesrock, daß einem nur noch styly angeranzte schwarze Anzüge und dünne Koteletten bis zum Kinn in den Sinn kommen. Manchmal klingen Gallon Drunk wie die Beasts of Bourbon, manchmal wie Nick Cave, fast immer bewegen sie sich zwischen diesen beiden Punkten, wo die unerfüllbare Sehnsucht Lebenselixier ist, wo nichts gefunden werden kann, weil auch das Suchen nicht das Ziel ist, sondern nur das Begehren. Berüchtigt sind Gallon Drunk für ihre Coverversionen: Lee Hazlewood mußte dran glauben, und vor allem Neil Sedakas „Solitaire“ wird zu einer versoffenen Trash- Musicalhymne – als wäre Judy Garland auf dem Horrortrip. Vielleicht wirklich die beste britische Band im Moment.

Am 12.12. um 22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

Wenn Tav Falco auf die Bühne kommt, fühlt man sich erst einmal verarscht: diese viel zu kleine Gitarre unters Kinn geklemmt, das Chaplin-Gesicht, das Chaplin-Bärtchen, die Chaplin-Locken und das Chaplin- Grinsen... Kaum ein Song ist von ihm selbst, und doch erkennt man keinen. Es liegt einfach daran, daß niemand eine solche Plattensammlung hat wie der Mann aus Memphis, Tennessee. Zwar ist Tav Falco der Schliemann des Rock 'n' Roll – immer auf der Suche nach den Mythen und dann wenigstens ein paar echt alte Steine findend –, aber für ihn fängt der Roll eben nicht erst mit „Rock Around The Clock“ an. Da gibt es Uralt- Blues, Samba und sogar Liedchen wie von Doris Day. Eine besondere Schwäche hat der Meister des brennenden Panther für Tango. Und für schlichte, große Zeilen: „I know you lie/ You know you lie/ I know you lie/ About that other guy.“ Wer danach noch einen neuen Song übers Verlassensein schreibt, schreibt einen zuviel. Das ist nun mal das Grundprinzip bei Tav Falco's Panther Burns: Wozu eigene Stücke schreiben, wenn es zum selben Thema schon Dutzende bessere gibt, die man nur ausgraben muß? Jump up and yell right you're gonna see the panther burn tonight!

Am 13.12. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Waren das noch Zeiten, als der gute Bob in Zwangsjacke mit irrem Blick im öffentlich-rechtlichen Fernsehen „I Dont Like Mondays“ vortrug. Damals waren wir alle „New Wave“ und trugen mächtig stolz die Pyjamajacken unserer Väter durch die Fußgängerzonen unserer Heimatstädtchen. Zwischenzeitlich konnte man leicht vergessen, daß Herr Geldof eigentlich Sänger war. Nachdem er wegen seiner Verdienste um die Menschlichkeit geadelt worden war, kam er zurück und wollte wieder einfach nur Musik machen. Komischerweise blieb er dabei in etwa halb so groß, wie es die Boomtown Rats schon vorher waren – obwohl er sich alle Mühe gab und entsprechend poppig daherkam. Nun denn, heutzutage kann man mit dem ehemaligen Aktivisten einen netten Schunkelabend bei radiotauglich mutierter Folkmusik erleben und dabei den immer noch kritischen (aber hallo!) Texten von Bob lauschen. Im Vorprogramm übrigens Martin Stephenson, der klingt, als wäre es das Größte für ihn, Kinderkarusselle zu beschallen.

Am 15.12. um 20 Uhr im Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg

Bei Reggae gibt es immer zwei Möglichkeiten: Der harte, straßengestählte oder der Sunshine- Reggae, wo die Cocktails hüpfen. Natty U verkauft sich und seine Posse als besten und international anerkanntesten Reggae-Act Deutschlands und produziert doch nur eine ausgedünnte Version von UB 40 (wenn man die überhaupt noch ausdünnen kann). Da hilft auch die – angeblich erfolgreiche – Jamaika-Tournee nichts; oder der Versuch, sich mit dem Projekt Dread Poets Society, bei dem Natty U die Rhythmen für fünf international bekannte Dub-Poeten lieferten, die nötige street credibility zu verschaffen. Natty U sind gut zum Tanzen, aber wer modernen Dancehall oder schweren Dub hören will, muß auf das nächste Original warten.

Am 16.12. um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Die drei Mannen von Unsane waren vormals bei Boss Hog oder Pussy Galore und erweitern, führen fort und schränken ein, was letztere wegen ihres Splits nicht zu Ende brachten: Die Auflösung der Rockstruktur im völligen Lärm. Dabei haben die New Yorker mit demselben Problem wie alle auf diesem Gebiet vor ihnen zu kämpfen: Jeder kann sich seinen Lautstärkeregler selber einstellen. Außerdem haben sie diese verfremdete Stimme, nach der man weiß, was „gemein“ heißt.

Unsane kommen nicht auf dem Amphetamine Reptile-Label heraus, obwohl das sehr gut passen würde, Surgery tun das. Dabei sind sie richtig nette Jungs im Vergleich zu Unsane, aber die Plattenfirma bürgt hier natürlich für die entsprechende Qualität.

Am 17.12. um 21 Uhr im Huxleys Jr.

Thomas Winkler