: Schuhplatteln auf der Plaza Mayor?
■ Flamenco- und Bauchtanzlehrerinnen sprechen über ihre Arbeit
Wiederholt waren mir die Anzeigen Berliner Studios für alle möglichen exotischen Tänze aufgefallen. Meine Bekannte Natalie war gerade zu einem einwöchigen Flamencokurs in Sevilla, und Inge kam zu einem Kursus für Bauchtanz von München nach Berlin. Dieser Tourismus in Sachen Tanz gab mir zu denken, und ich fragte mich, wer wohl daran teilnehmen würde – auch warum und zu welchem Zweck. Ich verabredet mich mit Amparo de Triana, der Flamencolehrerin, Salome und Stefanie, Leiterinnen von Studios für orientalischen Tanz.
Salome: Das Fremde hat mich immer greizt, und ich habe mich im orientalischen Tanz heimisch gefühlt. Für mich ist das einfach so: Ich selbst kann in Deutschland nicht alle meine Anteile leben und nehme aus anderen Kulturen das hinzu, was mir gefälllt, und das ist der orientalische Tanz.
Amparo de Triana: Zuerst kamen die Leute, die sich betätigen wollten, aber an keine Gymnastik, sondern an etwas mit künstlerischem Hintergrund dachten.
Stefanie: Ich habe Frauen, die meinen, etwas für sich tun zu müssen, rein körperlich, etwas, das ihnen gefällt, etwas, das wie eine weichere Art Sport ist, verglichen mit Jazz- oder Aerobic-Tanz. Vor allem möchten sie ihre verlorengegangene Weiblichkeit wieder rausholen.
Salome: Meine jüngste Schülerin ist zehn, die älteste fast 70 Jahre alt. Die Frauen kommen aus den verschiedensten Berufsgruppen. Es sind Hausfrauen und freischaffende Künstlerinnen, Angestellte oder Chirurginnen. Frauen mit einer starken Neigung zu psychischen Belangen. Türkinnen, Halbägypterinnen und Libanesinnen, in der Regel deutsche Frauen.
Stefanie: Es können durchaus Frauen in führenden Positionen sein, die ihre Weiblichkeit wiederfinden möchten. Dabei soll es kein Pornotanz werden, sondern wir wissen, was wir haben und welche Waffen wir haben – und das wird hier ein bißchen eingesetzt.
Salome: Ich bin die Mittlerin zwischen dem orientalischen Tanz und meinen Schülerinnen. Denn die klassische arabische Musik ist für ein deutsches Ohr erstmal sehr ungewohnt. Ich habe Schülerinnen, die sind so lange bei mir wie ich überhaupt unterrichte. Für sie ist der Tanz ein fester Bestandteil ihres Lebens geworden.
Amparo: Sie haben einfach Sehnsucht danach, sich auszudrücken. Die Tänzerinnen vollziehen Bewegungen, die ihre Gefühle transportieren. Dabei brechen oft Gefühle auf, die verbuddelt waren. Angestaute Aggressionen und Trauer.
Salome: Bei einer westeuropäischen Frau, die ihren „Mann“ im Beruf steht und noch Familie hat, bleibt ihre Weiblichkeit oft außen vor. Sowohl bei den Linken und Alternativen wie bei den Orthodox-Christlichen findet man die Körperfeindlichkeit. Da war man gleich eine Tussi oder hatte keinen Kopf.
Amparo: Der Einfluß von anderen Kulturen ist mir sehr wichtig. Der Flamenco ist in einem Schmelztiegel verschiedener Kulturen entstanden. In seinem Ursprung hat er schon multikulturelle Wurzeln, durch die Zigeuner.
Salome: Also, wir haben jetzt die Pogromstimmung gegen Ausländer, die Attacken gegen Asylbewerber. Mein Teil hier ist, Brücken zu bauen zwischen den Kulturen, über den Tanz hinaus.
Amparo: Ich meine, daß man Krieg und Aggression durch langsame Annäherungen und gegenseitiges Kennernlernen vermeiden kann. Um die Dinge, die anders sind, zu akzeptieren oder wenigstens zu respektieren.
Während all das so plausibel an mir vorbeischnurrt, fällt mir mein älterer türkischer Nachbar ein, der bei einem Gespräch über orientalischen Tanz hier in Deutschland freundlich lächelnd abwinkte und meinte, das wäre für ihn eine sehr exotische Blüte auf einer nicht mehr so ganz gesunden Pflanze. Ich frage Salome, ob sie sich vorstellen könnte, daß jemand in Nordafrika Schuhplatteln lernen möchte?
Salome: Nein, ich glaube nicht. In diesen Ländern ist noch ein stärkerer Bezug zum Körper da. Dort herrscht noch ein ursprüngliches Wohlgefallen am Tanz, an der Musik, am Lachen und am Leben. Anders als in Europa, wo man nur noch seinen Terminen nachrennt. Und von daher kann ich mir das Schuhplatteln in Lateinamerika nicht vorstellen, wohl aber lateinamerikanische Tänze bei uns. Interview: Eugenia Erazo
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