Serben und Kroaten einig über Teilung

Landkarte dokumentierte Einigkeit über die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas/ Muslimanen sollen mit Zipfelchen im Nordwesten und einem Drittel Sarajevos abgespeist werden  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die bosnischen Serben und Kroaten haben weitgehende Einigung erzielt über die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas – auf Kosten der Muslimanen, der mit 44 Prozent bislang stärksten Bevölkerungsgruppe. Das geht aus Landkarten hervor, die die Führer der Serben und Kroaten, Radovan Karadžić und Mate Boban, in den letzten drei Tagen in Genf den Vorsitzenden der Ex-Jugoslawien- Konferenz, Cyrus Vance und David Owen, unterbreiteten.

Die noch unveröffentlichten Karten, die die taz einsehen konnte, entsprechen im wesentlichen dem derzeitigen Frontverlauf– abgesehen von einigen derzeit noch von Muslimanen und Kroaten gehaltenen Städten und Gebieten, die die Serben für sich reklamieren.

Die Serben beanspruchen demnach für ihren „unabhängigen Teilstaat“ ein zusammenhängendes Gebiet, das von Bihać im Nordwesten Bosnien-Herzegowinas bis Bosanske Grahove östlich von Knin und von dort bis Bijeljina im Osten und südlich von Bijeljina entlang der Ostgrenze der Hauptstadt Sarajevo über Gorazde bis zur Adriaküste nördlich des montenegrinischen Herceg-Novi verläuft. Das sind rund 64 Prozent des Territoriums Bosnien-Herzegowinas, und damit die Fläche, die „uns Serben immer schon gehörte“, wie Karadžić am Mittwoch abend erklärte. Im Nordosten, Osten und Süden würde dieses Gebiet ohne Unterbrechung an Serbien und Montenegro angrenzen und wäre daher zu einem späteren Zeitpunkt ohne territoriale Veränderungen in ein „Großserbien“ einzugliedern.

Die von Karadžić vorgelegte Karte läßt darauf schließen, daß die Serben die in dem von ihnen beanspruchten Gebiet liegenden Orte, die bisher noch vorwiegend von Muslimanen und zu einem geringeren Teil von Kroaten verteidigt werden – unter anderem Bihać, Gorazde, Zvornik und Srebrenica –, ebenfalls noch erobern wollen. Wahrscheinlich bis zu den Wahlen in Belgrad am 20. Dezember, spätestens jedoch bis zum Jahresende. Darauf lassen Äußerungen Karadžićs in Genf gegenüber der taz schließen, wonach der Krieg „noch in diesem Jahr, hoffentlich schon bis Weihnachten, beendet“ sein soll.

Über eine Enklave im Nordosten zwischen Orasje und Brcko sowie über einige kleinere Orte im Norden Bosnien-Herzegowinas streiten sie Serben derzeit noch mit den Kroaten. Deckungsgleich sind die von Karadžić und Boban vorgelegten Karten aber in den wesentlichen Punkten: Beide sehen ein geschlossenes kroatisches Hauptgebiet in der Mitte Bosnien- Herzegowinas vor, das ungefähr 30 Prozent des bisherigen Staates umfaßt.

Und einig sind sich Serben und Kroaten auch darüber, den Muslimanen als zusammenhängendes Gebiet lediglich das Territorium zwischen Vilak Kladusa und Bihać im Nordosten zu überlassen – rund fünf Prozent Bosnien-Herzegowinas. Die bisherigen semantischen Unterschiede zwischen einem „serbischen Teilstaat“ (Karadžić) und einer beziehungsweise mehreren „kroatischen Provinzen“ (Boban) sind damit endgültig Makulatur.

Ob Muslimanen künftig zumindest als versprengte Minderheitengruppen in den von Serben und Kroaten beanspruchten Territorien wohnen dürfen, geht aus den Karten nicht hervor. Bisherigen Äußerungen Karadžićs und Bobans ist jedoch zu entnehmen, daß die Serben dies nicht und die Kroaten höchstens unter restriktiven Bedingungen zuzulassen gedenken.

Weitgehender Konsens besteht zwischen den beiden Volksgruppen auch über eine Aufteilung Sarajevos. Die Muslimanen, die mit 300.000 Menschen bislang die meisten Einwohner der Hauptstadt stellen, sollen mit etwa einem Drittel der Stadt abgespeist werden. Damit ist auch Karadžićs Erklärung von Mittwoch abend in Frage gestellt, wonach die serbischen Truppen in Sarajevo „lediglich die von Serben bewohnten Stadtteile schützen“ wollten und „nicht die Absicht“ hätten, „moslemische Stadtteile zu erobern“.