RWE – Atomstrom bis ins Jahr 2032

Hauptversammlung des größten deutschen Stromkonzerns/ „Konsenspapier“ zur Atomkraft irritierte Kleinaktionäre/ RWE-Meiler laufen weiter/ Dividende von 12 Mark  ■ Aus Essen Klaus-Peter Klingelschmitt

Das Weltbild der rund 3.000 Aktionäre und Aktionärsvertreter auf der Hauptversammlung der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke AG (RWE) in der Grugahalle in Essen war ausgerechnet von Vorstandschef Friedhelm Gieske (kurzfristig) in seinen Grundfesten erschüttert worden. Das von Gieske und Klaus Pilz (Veba) vor knapp zwei Wochen gezeichnete „Konsenspapier“ in Sachen Kernenergie sorgte in Essen für „größte Irritationen“ – so jedenfalls die Vorhaltungen eines Kleinaktionärsvertreters an den Vorstand: Beifall im Auditorium.

Doch Gieske konnte die Aktionäre beruhigen: „Wir wollen, daß die fertiggestellten Kernkraftwerke so lange laufen, wie es ihre technische Lebensdauer erlaubt – und das gilt auch für Mühlheim- Kärlich.“ Die technische Lebensdauer eines AKWs bezifferte Gieske mit 35 bis 40 Jahren. Mit dem Konsenspapier und dem Brief an den Bundeskanzler, so Gieske weiter, hätten RWE und Veba den „Dialog mit der Politik“ eröffnen wollen. Der Konzern werde weder ein neues AKW noch – etwa im Osten – ein Braunkohlekraftwerk bauen, solange es nicht zu einem politischen Konsens für die zukünftige Energiepolitik komme. Gieske: „Wir können uns ohne ein gesichertes politisches Umfeld beim Großkraftwerksbau keine Milliardeninvestitionen mehr leisten.“ Als „Stück aus dem Tollhaus“ bezeichnete der Vorstandsvorsitzende die Auseinandersetzungen um die Abschaltung des AKW Mühlheim-Kärlich. Der Konzern, versicherte Gieske, werde alles daransetzen, den Atommeiler bald wieder ans Netz gehen zu lassen.

Daß sich die RWE die angeblich friedliche Nutzung der Atomenergie auch aus Kostengründen eigentlich nicht leisten könne, rechnete dem Auditorium dann der kritische Aktionär Eduard Bernhard (BBU) vor: Millionenverluste aus dem Engagement mit Transnuklear, Milliardenverluste durch die Kappung der WAA- und Brüterpläne, Millionenverluste durch die Abwrackung der verstrahlten Produktionsstätten von Nukem und den Abbruch des Versuchsreaktors in Kahl – „und was bitte kosten die von der Aufsichtsbehörde geforderten Nachrüstungsmaßnahmen an den Altmeilern Biblis A und B in Hessen“? Die Umweltschutzorganisation „Robin Wood“ klagte auf der Hauptversammlung die hinter dem RWE-Konzern stehenden deutschen Großbanken an. Sie seien die eigentlichen Atomfetischisten. „Robin Wood“ forderte die Aktionäre deshalb auf, keine Bankenvertreter mehr in den RWE-Aufsichtsrat zu wählen, sondern „Vorreiterinnen und Vorreiter einer kommunalen Energiewirtschaft“.

Trotz der Probleme des Konzerns gerade mit den Kommunen in Ostdeutschland – Klage gegen den sogenannten Stromvertrag – und der bislang vergeblichen Versuche der RWE, sich (nur) die Filetstücke des ostdeutschen Braunkohlebergbaus einzuverleiben, konnten die Aktionäre mit der Dividende zufrieden sein. RWE schüttete 12 Mark für jede 50- Mark-Aktie aus. Der Vorstand wurde entlastet, alle Kandidaten für den Aufsichtsrat gewählt. Der Konzern erwirtschaftete im Geschäftsjahr 91/92 einen Jahresüberschuß von 719 Millionen Mark bei einem um rund 2 Milliarden gestiegenen Umsatz von knapp 52 Milliarden Mark.