Die Objekte der Makler-Begierde

Neue Besitzer stehen vor der Wohnungstür: Für 44.000 Wohnungen in Ostberlin endet mit dem Jahreswechsel die staatliche Verwaltung/ Die MieterInnen befürchten den Verlust ihrer Sicherheit  ■ Von Thekla Dannenberg

Berlin. Briefe von der Hausverwaltung öffnet MieterIn ungern, da sie selten etwas Gutes verheißen. Wenn sich in einem solchen auch noch eine bisher unbekannte Person als neuer Eigentümer vorstellt, ist die Panik perfekt. Die Position, die man sich in langen Jahren bei der Hausverwaltung erkämpft hat, scheint dahin; alle Auseinandersetzungen können von neuem beginnen.

Besondere Unruhe herrscht derzeit in Ostberlin. Zu Beginn des neuen Jahres werden rund 10 Prozent des Bestandes der Ostberliner Wohnungsbaugesellschaften automatisch aus der staatlichen Verwaltung entlassen. Betroffen sind davon mehr als 44.000 Wohnungen in Mehr- und Einfamilienhäusern vor allem in Prenzlauer Berg und Friedrichshain, deren Eigentümer zwar im Grundbuch eingetragen sind, aber noch nicht die Verwaltung übernommen haben. Für viele Mieterinnen und Mieter bedeutet dies, daß sie sich künftig zum ersten Mal mit einem privaten Hausbesitzer oder -verwalter auseinandersetzen müssen.

Bei einem Großteil der Wohnungen herrscht noch Unklarheit über die künftige Verwaltung, da die EigentümerInnen noch nicht ausfindig gemacht worden sind. Generell sollen diese Häuser weiter von den zuständigen Wohnungsbaugesellschaften weiterhin verwaltet werden. Um die große Unsicherheit unter den MieterInnen zu besänftigen, hat Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) versichert, daß Schutz und Sicherheit der MieterInnen nicht auf der Strecke bleiben würden: „Wir wollen und werden alles in unserer Macht Stehende tun, um diesen Vorgang so sanft wie möglich zu gestalten.“

Die Stimmung bei den MieterInnen ist aber längst nicht so gelassen. Wie ein Damoklesschwert hängt auch die Möglichkeit der Eigenbedarfskündigung in der Luft oder die vereinfachte Regelung, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Gerüchte finden regen Umlauf, nach denen Hausbesitzer gar ihre eigenen Häuser in Brand stecken oder Gasexplosionen herbeiführen.

Tatsächlich ändert sich an den bestehenden Mietverhältnissen zunächst nichts. Die betroffenen MieterInnen müssen sich künftig zwar mit privaten EigentümerInnen oder VerwalterInnen über Rohrbrüche, verstopfte Abflüsse und kaputte Heizungen streiten, die abgeschlossenen Verträge bleiben aber in ihrer ursprünglichen Form bestehen. Doch viele Alteigentümer werden versuchen, ihre Immobilien so schnell wie möglich gewinnbringend weiterzuverkaufen oder sie in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Viele MieterInnen fühlen sich nach Aussagen des Berliner Mietervereins als „Objekte reger Maklerei“ und sind verunsichert, weil sie irgendwann nicht mehr wissen, an wen sie ihre Miete überweisen sollen oder wer für die Reparaturen und Schäden aufkommen muß.

Mietverträge müssen in der bestehenden Form übernommen werden, zum Teil auch nicht-vertragliche Absprachen. „Mieter sind für neue Eigentümer die übelste Hypothek“, meint die Sprecherin des Mieterschutzbundes, Frigga Döscher, daher mit gewisser Genugtuung.

Rechtlich gesehen gilt es beim Eigentümerwechsel hauptsächlich zwei Hürden zu überwinden. So müssen MieterInnen darauf achten, die Miete nicht – wie es zum Beispiel häufig bei Daueraufträgen geschieht – auf das Konto des alten Vermieters zu überweisen. Um nicht in die zweite mögliche Falle zu gehen, muß man aufpassen, daß die gezahlte Kaution an den neuen Vermieter weitergegeben wird. Denn wenn der ehemalige Eigentümer nach dem Verkauf erst einmal auf den Bahamas seinen Daiquiri schlürft, haben MieterInnen wenig Chancen, das hinterlegte Geld wiederzuerhalten. Sind diese beiden Hürden ausgestanden, hat man nach Döschers Ansicht das gröbste überstanden Weder darf die Miete erhöht noch können Verträge verändert und schon gar nicht gekündigt werden. Doch viele MieterInnen trauen dem rechtlich garantierten Frieden nicht, und es bleibt die Unsicherheit, daß sie nicht gekündigt werden, sondern vergrault. Viele NeueigentümerInnen beginnen mit umfangreichen Modernisierungsarbeiten, die sie auf die Miete umlegen können. Beim Einbau einer Zentralheizung kann sich schon die Miete um die Hälfte erhöhen, die Heizungskosten verdoppeln sich.

Die Rechtsanwältin Frigga Döscher geht davon aus, daß gerade in Ostberlin die neuen alten EigentümerInnen in großem Umfang investieren und modernisieren werden. Die dann rasant steigenden Mieten werden sich große Teile der Bevölkerung nicht leisten können.