Der Berg riecht

■ Ein starkes Stück Tirolwerbung, umweht vom Duft des ganzen Mannes

Von hinten fotografiert, in DIN- A3-Größe, steigen krachlederne Männer einen Hang hinauf; einige Seiten weiter in der Broschüre schreitet ein Bergbauer sinnend über die Alm; die Frau: ein abgearbeitetes Exemplar Mensch mit Gott-sei-bei-uns-Touch; ein Riefenstahl-gestähltes Manns-Profil läßt vermuten, man habe einen Alpinisten mit Blick gen Bergesgipfel vor sich.

„... die rauhesten Eispaläste ersteigt der lebensfrohe Jüngling mit ausgesuchten Jagdfreunden... Bergwind umspielt die aufgeregten Körper, ein Bad aus Tannenduft, Latschenkieferöl der Seele ... Im tiefen Schlund donnert der Bergbach talaus“, so die Texte, mit denen die Männerwelt dieser Fotoserie unterlegt ist.

Wirklich nachzuvollziehen ist es nicht, im Jahr 1992, in welches Land uns die Tirol-Werbebroschüre „Starkes Land“ entführen will, auch wenn man ehrlich zugeben muß, daß die sattsam bekannten Bilder vom Alpenglühen, von Skirummel, Sporttaumel, verdrahteten Berghängen, Touristen auf Bergeshöhen samt allen Öko- Schäden auch keinen runden Eindruck der Bergwelt vermitteln. Tirol ist mehr.

Wohlan, werden sich die Werber gedacht haben, wenn man gestandene Mannsbilder am hohen Berg ablichtet, rücken wir dichter ans Berggefühl heran. Der Berg hat schließlich seine eigene Anziehungskraft.

Ihr Produkt ist ungewöhnlich: ein furioses, großformatiges Schwarzweiß-Mix von starken Fotos und ausgewählten Texten. In der großartigen Berglandschaft entfalten sich die Motive – in den Details wie den Totalen – zu beeindruckenden Stimmungsbildern; vor allem aber entfaltet sich der Mann, zeigt Kraft, stellt sich dar in aktiver Haltung, schließlich entblößt er sich sogar und präsentiert sich auf einer halben Doppelseite als blanker, softiger, muskulöser Oberkörper, in gekonnter Pose und ästhetisch geleckt.

Ein dekorativer Body Seite an Seite mit den strammen Beinen eines gekreuzigten Jesus: selbst das steinerne Idol daneben wirkt wie ein ans Kreuz genageltes männliches Model.

Tirol hat sich für seine Imagebroschüre den Luxus eines amerikanischen Modefotografen geleistet, und dieser hat, um einige Jahre zeitversetzt, die dumpfe Männlichkeit bodenständiger Mannsbilder um einen Hauch sanfter Erotik aus der Werbewelt der Männerparfums bereichert.

Werbung zitiert sich selbst, und der Effekt ist eigentümlich. Man blättert noch in der Broschüre, und unmerklich entsteigen dem Flair der Berglandschaft die Düfte von Davidoff, Kouros, Joop, Obsession... Daß der Berg ruft, wußten wir längst – jetzt riecht er auch noch. Christel Burghoff