Konflikte: "Konflitverwaltung. Ein Zerrbild unserer Demokratie?"

Warum diskutiert diese Gesellschaft immer noch über den §218? Gab es nicht einen parlamentarischen Kompromiß? Signalisiert dies aber auch den politischen Willen zur dauerhaften Konfliktlösung? Oder handelt es sich nicht um bloße Konfliktverwaltung, die eher der Verschleppung als der Lösung dient? Im Kontext der neuerlichen richterlichen Begutachtung der Abtreibungsfrage als eines der zentralen gesellschaftlichen Konflikte der letzten Jahre ist der von Ulrike C. Wasmuth herausgegebene Sammelband Konfliktverwaltung – Ein Zerrbild unserer Demokratie? mit Analysen zu fünf innenpolitischen Streitfällen (er)kenntnisreich. Wenn ein Konflikt nichts grundsätzlich Schlechtes oder Gutes ist, dann ist die Frage nach den Konfliktlösungsmodi zentral: Wer streitet? Wie entwickelt sich der Konflikt? Ist Gewalt im Spiel? Gibt es klare Verlierer oder Gewinner? Sucht man den Kompromiß? Wo liegen neben den akuten Formen der Auseinandersetzung strukturelle Konfliktursachen? Gibt es alternative Lösungsansätze?

Mit diesem methodischen Raster werden der Memminger Prozeß gegen den Arzt Theissen, der „Fall“ Jenninger, die Hafenstraße, der „Fall“ Dr. Peter Augst („Alle Soldaten sind potentielle Mörder“) und der „Fall“ Kießling abgeklopft: Das Buch ist Ergebnis eines Seminarprojekts am Berliner OSI (Politikwissenschaft). Der „Fall“ Memmingen wurde bekanntermaßen gegen Arzt und Patientinnen entschieden, die Hafenstraße juristisch-polizeilich in die Zange genommen, Kießling und Jenninger mußten gehen, gegen Dr. Augst steht ein weiteres Revisionsverfahren aus. Doch die 218-Diskussion geht weiter, neue soziale Bewegungen werden sich dem Mietwucher widmen, auch die Vergangenheitsaufarbeitung steht vor neuen „Fällen“. Leben wir also in einer – negativ konnotierten– Konfliktverwaltungs-Gesellschaft? Oder ist es nicht gerade Sinn der Demokratie, Konflikte prozessual, immer wieder neu zu verhandeln?

„Konfliktverwaltung. Ein Zerrbild unserer Demokratie?“ Hrsg. von Ulrike C. Wasmuth. Aufbau Taschenbuch Verlag 134, 18,80 DM