Einbürgerungsmöglichkeiten erweitern

■ Wolfgang Clement (SPD), Chef der NRW-Staatskanzlei

taz: Sie fordern die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft für in Deutschland geborene Kinder von Ausländern. Heißt das, daß jedes hier geborene Kind automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen soll?

Wolfgang Clement: Nein, das kann es nicht heißen. Ich möchte, daß die Kinder von ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die hier schon lange leben, die Möglichkeit bekommen, die deutsche Staatsangehörigkeit auf schnellere und einfachere Weise als bisher zu erwerben. Es gibt dazu einen Vorschlag der nordrhein-westfälischen Landesregierung im Bundesrat. Der zielt darauf ab, den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft durch Geburt für die Kinder in zweiter Generation von hier lebenden Ausländern zuzulassen. Darüber hinaus müssen wir die Einbürgerungsmöglichkeiten erheblich erweitern und flexibler gestalten.

Wenn die SPD ernsthaft eine Änderung wollte, hätte sie doch die Forderung beim „Asylkompromiß“ zum Thema machen können.

Das ist ja auch versucht worden, aber die Umsetzung ist derzeit mit der CDU/CSU nicht zu machen. Sie haben recht, daß der Hebel des Asylkompromisses dafür nicht mehr gegeben ist, aber wir werden die Einführung einer handhabbaren Doppelstaatsbürgerschaft, eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und die Gewährung des Kommunalwahlrechts auch für Nicht-EG-Ausländer mit aller Energie weiterverfolgen. Ich sehe alle drei Reformen in einem engen Zusammenhang und halte sie angesichts der aktuellen in Deutschland grassierenden Ausländerfeindlichkeit gerade jetzt für erforderlich. Wir müssen neue, erheblich größere Anstrengungen unternehmen, um die Integration von Ausländern hier zu fördern. Mit der Doppelstaatsbürgerschaft sind eine Reihe von praktischen Fragen zu klären: Wie ist es z.B. mit der Wehrpflicht, wie wird der konsularische und diplomatische Schutz geregelt? Dazu gibt es die Überlegung, eine ruhende und eine aktive Staatsbürgerschaft nebeneinander zu entwickeln. Das wäre ein Weg, den die sozialdemokratisch regierten Länder für gangbar halten.

Wird die SPD jetzt eine Kampagne zur Durchsetzung starten?

Ich glaube, in solchen Fragen ist von Seiten der Reformwilligen mit Kampagnen wenig auszurichten. So etwas ist — wie sich leider zeigt — eher von Rechts und Rechtsaußen möglich. Wie können nur auf die Vernunft und auf das ständige Bohren dicke Bretter setzen — und das werden wir tun.

Die NRW-SPD hat schon 1987 die Einführung des Kommunalwahlrechts für Ausländer beschlossen. Davon sind Sie dann abgerückt, weil führende SPD-Politiker seinerzeit die Angst vor der eigenen Wählerschaft beschlich. Wieso fordern Sie jetzt wieder das Kommunalwahlrecht?

Der Grund für unser Abwarten während der letzten Legislaturperiode war ein völlig anderer. Wir wollten schlicht und ergreifend die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem entsprechenden Gesetz in Schleswig-Holstein abwarten. Die Karlsruher Entscheidung ist leider negativ ausgegangen. Wäre sie anders ausgefallen, hätten wir heute in NRW das kommunale Wahlrecht für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Wir sind jetzt aber durch den Vertrag von Maastricht in einer neuen politischen Situation. Darin wird das kommunale Wahlrecht für alle EG-Bürger vorgeschrieben. Das ist uns nicht ausreichend, und deshalb haben wir in der Verfassungskommission den Versuch eingeleitet, ein erweitertes kommunales Wahlrecht für alle Ausländer durchzusetzen. Bisher gibt es in der Verfassungskommission dafür die notwendige Zweidrittel-Mehrheit nicht. Es kommt jetzt aber darauf an, die Kontrapunkte gegen das zu setzen, was von Rechtsaußen in der Bundesrepublik betrieben wird. Ich kann mir nicht vorstellen, daß eine christlich-konservative Partei sich dem Verlangen der hier lebenden und arbeitenden Ausländerinnen und Ausländer nach der Gewährung von kommunalen Mitwirkungsrechten auf Dauer wird versagen können. Interview: Walter Jakobs