Dürfen die VietnamesInnen bleiben?

Ehemalige VertragsarbeiterInnen demonstrieren in Schwerin/ Bundesrat berät kommende Woche über Bleiberecht/ Entscheidung trifft der Bundesinnenminister  ■ Von Bettina Markmeyer

Berlin (taz) – Mehrere hundert ehemalige VertragsarbeiterInnen, vor allem VietnamesInnen, aus Ostdeutschland und Berlin demonstrierten gestern in Schwerin für ein Bleiberecht. Der Bundesrat wird am kommenden Freitag über einen entsprechenden Antrag des Landes Brandenburg beraten, dem Bayern und Mecklenburg- Vorpommern entschiedenen Widerstand entgegensetzen. In Dresden und im Magdeburger Dom finden am Wochenende weitere Solidaritätsaktionen statt.

Die DemonstrantInnen wählten gestern den richtigen Ort. Ausgerechnet der Schweriner Innenminister Lothar Kupfer (CDU), politisch verantwortlich für die Rostocker Krawalle, bei denen hundert VietnamesInnen nur mit Glück dem Flammentod entgingen, will die VertragsarbeiterInnen schnell abschieben lassen. Einen entsprechenden Beschluß der Landesregierung Mecklenburg- Vorpommerns vom 7. Oktober begründete Kupfer in einem Brief an die Innenminister von Bund und Ländern mit aufgewärmter SED- Ideologie. Die VietnamesInnen, so Kupfer, seien als „Bestandteil der Entwicklungshilfe der DDR“ nur für die Dauer einer Ausbildung ins Land geholt worden und hätten gewußt, daß sie nach fünf Jahren zurück müßten. Sie hätten in komfortablen Wohnheimen gelebt und gegenüber der Bevölkerung Vergünstigungen genossen. Selbst daß schwangere Vietnamesinnen vor die Alternative gestellt wurden, abzutreiben oder auszureisen, bestreitet der Minister. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen, der die Kupferschen Ausführungen Anfang Dezember bekannt wurden, zeigte sich „empört“, hatte sie bei der Lektüre doch das „Gefühl“, da argumentiere jemand, „der schon zu DDR-Zeiten in Amt und Würden gewesen ist“.

Im Gegensatz zu Kupfer betonte die brandenburgische Ausländerbeauftragte, Almut Berger, im Sozialausschuß des Bundesrats: „Die in den späten 80er Jahren ins Land geholten Vietnamesen“ seien „faktisch nur noch als Arbeitskräfte“ eingesetzt worden „und wurden nicht mehr ausgebildet“. Wegen Arbeitskräftemangels habe die DDR den Aufenthalt von vielen, um die es heute gehe, mehrfach verlängert. Die ostdeutschen VertragsarbeiterInnen müßten den westdeutschen GastarbeiterInnen gleichgestellt werden und eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Das forderte gestern auch der DGB. Es ist zu vermuten, daß viele der derzeit noch etwa 11.000 VietnamesInnen in der Bundesrepublik über einen Asylantrag versuchen werden, ihren Aufenthalt zu verlängern. Zwar müssen sie mit Abschiebungen solange nicht rechnen, wie die Bundesrats-Entscheidung nicht gefallen ist. Doch nur in Brandenburg, Berlin und Sachsen haben die Regierungen wirksame Abschiebestopps bis Ende des Jahres beschlossen.

Wie die Bundesrats-Entscheidung am kommenden Freitag ausfallen wird, ist nach den gegensätzlichen Voten im Innen- und Sozialausschuß kaum vorherzusagen. Berlin und Sachsen, aber auch Hamburg, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Baden-Württemberg unterstützten die brandenburgische Initiative im Sozialausschuß des Bundesrats. Die alten Bundesländer hatten im Innenausschuß mit ihrer Stimmenmehrheit zunächst ein Bleiberecht für die VertragsarbeiterInnen abgelehnt.

Wenig Einfluß dürfte auch der im Asylkompromiß vom vergangenen Wochenende enthaltene Passus haben, mit dem die Parteien an die Regierungschefs von Bund und Ländern appellieren, „sich mit der Lage der Vertragsarbeitnehmer der ehemaligen DDR zu befassen, um eine humanitäre Lösung zu finden“. Denn selbst wenn eine Mehrheit im Bundesrat für ein Bleiberecht stimmen würde, liegt die letzte Entscheidung bei Bundesinnenminister Seiters. Und der hätte schon längst – auch ohne das nunmehr fast zweijährige Hin und Her in den Bundesländern – den VertragsarbeiterInnen mit einem einfachen Beschluß ein Bleiberecht gewähren können.