Bundestag verlängert Kronzeugen-Experiment

■ Umstrittenes Gesetz soll bis 1995 gelten

Berlin (taz) – Mit den Stimmen der Koalitionsfraktion hat der Bundestag gestern einer Verlängerung der Kronzeugenregelung bis Ende 1995 zugestimmt. Ursprünglich sollte das 1989 verabschiedete Gesetz Ende des Jahres auslaufen. Mit Hilfe dieser Regelung sollen vor allem im Bereich der Roten Armee Fraktion und der Revolutionären Zellen einzelne Mitglieder aus ihren Gruppen herausgebrochen werden. Der Strafrabatt, der bei Mord eine dreijährige Mindeststrafe zuläßt, soll sie zu einer Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden bewegen.

Vor dem Parlament mußte gestern aber auch der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Eduard Lintner (CSU), einräumen, daß die Kronzeugenregelung die Erwartungen der Fahndungsbehörden nicht erfüllt hat. Er bezeichnete sie dennoch „als wirksames Mittel bei der Bekämpfung von Terrorismus“. Lintner möchte das Gesetz nun auch bei „schweren Straftaten mit rechtsextremistischer Motivation“ genutzt sehen.

Gegen eine Verlängerung sprachen sich SPD, PDS, Bündnis 90 und drei FDP-Abgeordnete aus. Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) war im Vorfeld der Abstimmung gegen eine Verlängerung, hatte sich in ihrer Fraktion aber nicht durchgesetzt. Scharfe Kritik äußerte gestern die Bündnis-90-Abgeordnete Ingrid Köppe. Obwohl Sachverständige bei einer Anhörung der Kronzeugenregelung mehrheitlich einen Bankrott attestiert hätten, werde „weiterhin mit Glaubenssätzen dafür gefochten, mit diesem Instrument seien terroristische Straftaten zu verhüten“. wg