: "Kultur ist wichtiger geworden in der Stadt"
■ Interview mit der grünen Senatorin Helga Trüpel über Kultur, Ausländerintegration udn Machtillusionen der Polit-Männer
„Kultur ist wichtiger geworden in der Stadt“
Interview mit der grünen Senatorin Helga Trüpel über Kultur, Ausländerintegration und Machtillusionen der Polit-Männer
taz: „Puppenstubenressort“ hat ein grüner Parteifreund vor einem Jahr gesagt. Was ist aus diesem Ressort geworden?
Helga Trüpel, Senatorin für Kultur und Ausländerintegration: Das Wort ist eine Böswilligkeit, im Hinblick auf meine Person und auf das Ressort hat es einen fiesen Unterton. Dahinter stand die Einschätzung von diesem sogenannten „Parteifreund“, daß die Grünen im Grunde das Sozialressort beanspruchen müssen, um dem Trend zur Zweidrittel-Gesellschaft entgegenzuarbeiten.
Politik gegen Ausgrenzung ist eine der wichtigsten Aufgaben. Ich halte es aber für eine Illusion, zu glauben, die Grünen könnten mit diesem Ressort eine Lobby- Politik realisieren, wenn man das mit der Wachstumskritik ernst meint.
Ich glaube, daß das Kulturressort ein gutes Ressort für die Grünen ist. Da geht es um die allgemeinen Auseinandersetzungen geistig-kultureller Art. Man kann nach einem Jahr feststellen, daß heute Kultur viel mehr in der Diskussion ist als vorher. Nicht nur im Hinblick auf die grünen Wähler ist das für uns ein wichiges Ressort. In der SPD und insgesamt in der Bremer Öffentlichkeit stellt man einfach fest, daß Kultur einen höheren Stellenwert hat. Es gibt mehr öffentliche Diskussionen, mehr Streit um Kultur. Ich finde das gut.
Das zweite Thema des Res
HelgaTrüpel, Foto:K.H. sorts ist die Zuwanderungspolitik. Die Grünen auf Bundesebene haben einen großen Fehler gemacht, als sie schlicht und abstrakt „offene Grenzen“ gefordert haben und nicht ein konkretes Zuwanderungskonzept. Wir Grüne sind dadurch in der Asyldiskussion politisch wenig handlungsfähig gewesen.
Wir beschäftigen uns in Bremen vor allem auch mit jenen, die langfristig in Bremen bleiben wollen und oft zum Beispiel ganz streng am Koran orientiert sind. Das halte ich für so eine wichtige Aufgabe in den nächsten Jahren, und da ist dieser Ressortzuschnitt, Kultur- und Ausländerfragen, etwas ganz Modernes und Adäquates. Bei beiden Arbeitsbereichen geht es um die Auseinandersetzung mit dem Fremden, mit dem, was Angst macht.
Kulturveranstaltungen gegen Anschläge?
Die Polizei kann nicht jeden schützen. Der hochgerüstete Staat war nicht einmal in der Lage, seine Repräsentanten wie Herrhausen zu schützen. Ich bin froh, daß der Innensenator mehr Polizeischutz angeordnet hat, es gibt mehr Streifen. Aber wir müssen durch Aufklärungsarbeit die Köpfe erreichen, wir müssen durch Präsenz und Kontakt an die Herzen und Ängste der Menschen herankommen. Es gibt Kampagnen, Flugblätter, Veranstaltungen in Stadtteilen. Die Kirchen haben damit angefangen: Es muß öffentliche Auseinandersetzungen geben, in denen auch DVU-Wähler sich mit ihren Sorgen ernst genommen fühlen und auf ein diskussionsbereites, liberales Stadtbürgertum treffen. Das hat in Bremen, auch mit unserer Unterstützung, jetzt angefangen.
Anfangs konnten sich die Grünen, die mitregieren wollten, das nur in einer rotgrünen Koalition vorstellen, ohne die Wirtschaftslobby-Partei FDP....
.. gut, daß wir das nicht gemacht haben.
Manchmal hat man inzwischen den Eindruck, die Grünen kommen besser mit der FDP als mit der SPD zurecht: ein klarerer Gegner und ein einfacherer Partner.
Mit einer SPD, die ewig in der Regierung war, ist eine Koalition schwierig. Wir haben so viele Erblasten. Was wir im Ressort an Aufräumarbeit leisten... Wenn wir im Senat nur mit dieser SPD da säßen, wir würden vielmehr untergehen als jetzt, wo FDP und Grüne zusammen aus ihren unterschiedlichen Blickwinkeln Druck auf die SPD machen. Wenn die SPD aus der Opposition kommt, ist Rotgrün vielleicht das richtige Projekt für Reformpolitik, in der spezifischen Situation der politischen Kultur in Bremen aber nicht. Harte Streits mit der FDP gibt es im Bereich Ökonomie/Ökologie. In der Kulturpolitik ist es sehr gut, daß es die FDP im Senat gibt.
Ist man als Regierung Herr der Lage?
Es hat jahrelang eine Machtillusion gegeben, was Politik leisten soll. Das war eine virile Politikvorstellung: Große Männer, Staatsmänner, drücken den Dingen ihren Stempel auf. In der Gesellschaft kommt jetzt der Rückschlag: Die Politik kann gar nichts, sie soll alle Probleme lösen, aber möglichst vorgestern. Das ist eine Antwort auf diese Machtphantasien. Das hat für mich etwas Infantiles, das sind wirklich Projektionen: Die Politiker sollen alles können. Die Politik muß heute sagen, was sie alles nicht kann, wo Gesellschaft, Ökonomie oder auch die Medien bestimmend sind. Knechte der Sachzwänge sind wir dabei natürlich nicht.
Gibt es eine Frauensolidarität der Senatorinnen?
Es gibt Blicke. Wenn eine Senatorin sich mit einem Senator angelegt hat, gibt es augenzwinkernde Gesten der Unterstützung. Aber es gibt nicht generell Frauensolidarität. Fragen: K.W.
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