Klöckner-Hütte vergleichsweise gerettet

■ Der Verzicht der Banken hat die Pleite verhindert / Entlassungen angekündigt / Betriebsrat zufrieden

Klöckner-Stahl hat bei den Amtsgerichten Bremen und Duisburg Vergleich angemeldet. Für die Bremer Hütte zeichnen sich zweierlei Folgen ab: Zum einen scheint der Betrieb fürs erste gerettet, der drohende Konkurs ist ebenso abgewendet wie der schleichende Tod, der mit dem Verkauf an den holländischen Hoogoven-Konzern zu erwarten gewesen wäre. Zum anderen aber hat die Klöckner- Konzernleitung „erhebliche Maßnahmen“ zur Rationalisierung des Bremer Werkes angekündigt. Der Bremer Betriebsrat schätzt, daß bis zum 30. September 1994 rund 1.300 der 6.000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, damit der verbliebene Schuldendienst bei den Gläubigerbanken abgewickelt werden könne. Hauptgläubigerin ist die Deutsche Bank, neben einer Reihe kleinerer Institute teilen sich Dresdner- Commerz- und Westdeutsche Landesbank den zweiten großen Teil des Klöcknerschen Schuldenberges. Der Vergleichsantrag sieht vor, daß die Banken auf 60 Prozent der Forderungen verzichten. Nach Auskunft des Betriebsrates muß Klöckner pro Jahr allein 180 Millionen Mark Zinsen zahlen.

Erleichterung in der Hütte nach dem Banken-VerzichtFoto: Tristan Vankann

Dieser Schuldendienst würde auf 70 Millionen schrumpfen.

In der Klöckner-Hütte Bremen schlug die Nachricht ein wie eine Bombe: Am späten Donnerstag abend sprach sich wie ein Lauffeuer herum, daß der Klöckner-Vorstand in Duisburg am Freitag den Vergleich beantra

hier das dunkle foto

gen werde. Bei den Betriebsräten liefen die Telefone heiß, ab fünf in der Frühe gingen die ArbeitnehmervertreterInnen in Dauersitzung. Draußen bange Fragen, ob die Löhne weiter gezahlt würden und sich das Weiterarbeiten überhaupt noch lohne. Aber schon bald konnte auf spontan einberufenen Versammlungen Entwarnung gegeben werden, und nicht nur das: Die Betriebsräte setzen ihre ganze Hoffnung auf den Schritt zum Amtsrichter.

Der Betriebsrat hatte sich von der Duisburger Konzernzentrale am Morgen berichten lassen. In einer eilends einberufenen Pressekonferenz trafen die JournalistInnen auf Betriebsräte, die gar nicht danach aussahen, daß ihr Betrieb in einem Vergleichsverfahren steckt. Peter Sörgel: „Der Vergleich ist eine Riesenchance.“ Mit dem Verzicht der Banken würde „die Hauptlast“ von der Bremer Hütte genommen: Der immense Schuldendienst. Damit würden alle Verhandlungen auf eine völlig neue Grundlage gestellt. „Interessenten müßten nicht gleich den ganzen Schuldenberg mitkaufen.“

Nicht nur die Arbeiter am Hochofen waren von der Entscheidung völlig überrascht: Sowohl der Bremer Wirtschaftssenator Claus Jäger als auch der Pressesprecher der Bremer Betriebsleitung Günter Ziegenbalg haben die Nachricht des Tages erst aus dem Radio erfahren. Jäger am Morgen auf dem Parkplatz vor dem Klöckner-Verwaltungsgebäude: „Ich bin dann gleich hierher gefahren, um zu erfahren, was da los ist.“ Doch so viel gab es in Bremen nicht herauszubekommen, die entscheidenden Herren saßen in Duisburg. Zu denen gehört Herr Zie

genbalg offenbar nicht: „Heute früh hab ich das in den Nachrichten gehört.“ Erst mittags im Büro des Betriebsrates bekam er die offizielle Stellungnahme der Konzernzentrale zu Gesicht: „Siehste, dann erfahr ich das auch noch.“

Noch vor zwei Tagen hatte der Aufsichtsrat des Konzerns zusammengesessen und über die Zukunft des schwer angeschlagenen Unternehmens debattiert. Die Verhandlungen mit den Banken müssen simultan dazu abgelaufen sein, ohne daß Konkretes in die Sitzung der obersten Konzernkontrolleure gedrungen wäre. Peter Sörgel: „Das ist das reale Bild der Montanmitbestimmung 1992.“

Peter Sörgel, Betriebsrats-Vorsitzender

Die Gewerkschafter hoffen, daß mit dem Vergleich das „Hoogoven“-Konzept vom Tisch ist. Das sei die wichtigste Aufgabe der kommenden Tage, sagte Sörgel. Der Niederländische Konzern hatte angeboten, die Bremer Hütte zu übernehmen. In Bremen hatten alle Beteiligten befürchtet, daß Hoogoven vor allem auf die Stahlquote und weniger auf den Erhalt der Hütte spekulierte. Nun keimt die Hoffnung, daß die Teilentschuldung Käufer motiviert, die im hochmodernen Bremer Werk tatsächlich produzieren wollen. Im Gespräch ist der italienische Ilva-Konzern, der auf dem mitteleuropäischen Markt Fuß fassen will. Betriebsrat Michael Breidbach: „Uns ist egal, was für ein Schild da oben hängt.“

Doch vorerst bleibt die Bremer Hütte unter dem Dach des Klöckner-Konzerns. Und der muß in Bremen kräftig abspecken, um die Banken zufriedenzustellen. Mit denen sei der Vergleich sehr sorgfältig abgestimmt, sagte der Konzernchef Hans-Christoph von Rohr bei einer Pressekonferenz in Duisburg. Was dieses Sanierungskonzept für den Betrieb und damit die Stadt konkret bedeutet, wußten am Freitag in Bremen weder Betriebsrat noch Wirtschaftssenator. Aus dem Werk kamen Vermutungen, daß damit Modelle der Zentrale gemeint seien, die 1.300 von den 6.000 Beschäftigten den Job kosten könnten. Das würde bedeuten, daß einer von zwei Hochöfen stillgelegt würde. „Wir sagen dazu, daß ein solcher Abbau sozial verträglich gelöst werden muß“, sagte der Betriebsrat Horst Meyerholz. Ein Hochofen wäre zwar aus, damit wäre aber eines gesichert, worauf der Betriebsrat in der Diskussion um die Zukunft des Bremer Stahlstandortes immer wieder hingewiesen hatte: Das integrierte Hüttenwerk, vom Hochofen bis zur Endbearbeitung.

Von Seiten der Bremer Politik kamen am Freitag unisono Worte der Erleichterung. Senat und Opposition waren sich einig in der Bewertung: Der Vergleich ist eine Chance, die unbedingt

hier der MANN

genutzt werden muß. Wirtschaftssenator Claus Jäger meinte am Nachmittag, der Senat werde alles daransetzen, die Wettbewerbsfähigkeit der Hütte mit flankierenden Maßnahmen zu verbessern: „Zum Beispiel auch über die Stadtwerke.“ Das Energieversorgungsunternehmen gehört zu den kleineren Klöckner-Gläubigern. Außerdem will sich Jäger in Bonn dafür einsetzen, daß die Bremer Hütte aus dem Kohle Vertrag herauskommt. Jochen Grabler