■ Die Chinesen kaufen die USA zentimeterweise
: Amerika im Sonderangebot

Peking (taz) – Beamte in Chinas Behörden haben ihre ideologischen Einwände gegen das Privateigentum an Grund und Boden fallengelassen. Nun wollen sie chinesischen Boden hunderttausendfach verkaufen – jeweils in der Größe eines Quadratzolls (6,5 qcm). Die Inspiration zu dieser einträglichen Idee holten sie sich bei umtriebigen Geschäftsleuten, die amerikanischen Boden an Chinesen verkaufen. Dafür haben sich bereits Tausende chinesischer Interessenten als KäuferInnen registrieren lassen. Für den Preis von etwa 1.200 Mark – was einem Durchschnittgehalt von etwa eineinhalb Jahren entspricht – erhält jeder Käufer ein Zertifikat, das den Erwerb eines Quadratzolls Land in jedem der fünfzig US- Bundesstaaten bestätigt. Und das ist die Eintrittskarte in die USA – hoffen zumindest alle, die von einem amerikanischen Visum träumen.

Die Beamten des chinesischen Ministeriums für Bauwesen und der Kommission für Wissenschaft und Technologie fanden die Idee großartig. Ab Anfang kommenden Jahres soll chinesisches Land in ebenso winzigen Stückchen auf den Markt geworfen werden. Aber teurer. Ein Quadratzoll chinesischen Bodens wird gut 140 Mark kosten. Schließlich haben die als Käufer anvisierten Übersee-Chinesen noch mehr Geld und noch weniger Möglichkeit, es auszugeben als ihre Kollegen im Mutterland, hoffen zumindest die Beamten. Übersee-Chinesen, die so chinesischen Grundbesitz erwerben, werden dies wohl vor allem aufgrund gewisser nostalgischer und patriotischer Anwandlungen tun.

Was Tausende von Chinesen zum Erwerb amerikanischen Bodens gereizt hat, ist im Kleingedruckten des Zertifikats versteckt: Dort steht, die Urkunde verleihe dem Eigentümer „Zu- und Ausgangsrechte“. Das muß doch, denken die optimistischen Besitzer, bedeuten, daß die US-Botschaft sie nicht abweisen kann.

Ermutigt hat die Käufer ein Reklame-Spot, der das winzige Stück Boden als „ihr erster Schritt nach Amerika“ anpreist. In Peking werden die Landstückchen von zwei chinesischen Firmen verkauft. Eine davon wird von der Polizei betrieben. Der Preis von 1.200 DM ist von den chinesischen Firmen festgelegt worden – in den USA ist der Spaß für ca. 90 Mark zu haben.

„Viele Leute fragen uns, ob sie ein Visum mit diesem Zertifikat bekommen können. Wir machen keine Versprechungen“, sagt die Managerin der Firma, Ju Danna. Die US-Botschaft in Peking jedenfalls ist von Telephonanrufen vorsichtigerer Zeitgenossen geradezu überschwemmt worden. Einige Leute glauben auch, daß sie das Land in einem oder zwei Jahren gegen Profit verkaufen können, wenn es ihnen nicht zuvor zu einem Visum verholfen hat.

In ganz China wird US-Boden verkauft. Insgesamt sind etwas mehr als einhunderttausend Grundstücke im Angebot, davon 5.000 in Peking.

In dem provisorischen Büro, das sich über vier Zimmer eines der besten Hotels in Peking erstreckt, ist ein ständiges Kommen und Gehen von Leuten, die sich auf die Liste setzen lassen. Die Managerin Ju Dannan allerdings gibt zu, daß sie selbst noch nicht dabei ist. „Mein Vater will, daß ich kaufe, aber ich weiß nicht so recht“, sagt sie. „Es ist schließlich viel Geld.“

Andere greifen tief in ihre Ersparnisse. Die dreißigjährige Angestellte einer Staatsfirma sagt, sie hoffe, sie werde eines Tages die Chance haben, nach Amerika zu gehen und dort ihr Land zu sehen. Aber warum muß es gerade amerikanisches Land sein? „Chinesisches Land wird nicht in Stücken verkauft, die klein genug sind, daß ich es mir leisten kann.“ Sie irrt. Catherine Sampson