■ Weltpokal: Barça mit den Händen in den Taschen
Berlin (taz) – Das Selbstbewußtsein des Johan Cruyff ist nur äußerst schwer zu erschüttern, und so konnte es nicht verwundern, daß der Trainer des FC Barcelona das blamable Europacup-Aus gegen ZSKA Moskau schnell vergessen hat. In der spanischen Liga kann den Katalanen derzeit niemand das Wasser reichen, mit brillanten Vorstellungen eroberten sie die Tabellenspitze, und Cruyff fand nebenher genugsam Zeit, seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: Zwietracht im Club zu säen.
Präsident Josep Lluis Nunez, den Cruyff gern loswerden möchte, hat noch nicht verraten, ob er sich zur Wiederwahl stellen will. Normalerweise gehen sich die beiden aus dem Weg, die gemeinsame Reise nach Tokio sollte jedoch ausreichend Gelegenheit zu Kommunikation und neuen Ränken bieten. Und ganz nebenbei wollte der FC Barcelona in Japan gegen Südamerikameister FC São Paulo auch den Weltpokal gewinnen.
17mal hatte in 30 derartigen Spielen der Vertreter Amerikas gesiegt, die letzten drei Male allerdings waren mit dem AC Mailand (1989, 1990) und Roter Stern Belgrad (1991) die Europäer erfolgreich gewesen. Cruyff war nicht gewillt, diese Serie abreißen zu lassen, und warnte seine Spieler trotz aller Selbstherrlichkeit davor, die Aufgabe zu leicht zu nehmen. „Wir sind gut, aber nicht so, daß wir es uns leisten können, mit den Händen in den Taschen zu spielen“, sagte er vor dem Match, und wie recht er hatte, zeigte das Spiel am Sonntag vor 60.000 Zuschauern im ausverkauften Nationalstadion von Tokio.
Alles schien nach Plan zu laufen für den FC Barcelona, als der Bulgare Hristo Stoitschkow, der sich in der Form seines Lebens befindet, bereits in der 12. Minute mit einem Fernschuß über Torwart Zetti hinweg das 1:0 erzielte. Dann aber kam die große Zeit von Rai, dem kleinen Bruder des großen Socrates. In der 28. Minute glich der 27jährige, der auch in der Nationalmannschaft eine immer wichtigere Rolle spielt, nach einer Flanke von Muller zum 1:1 aus, danach kam São Paulo, das den Südamerika-Cup im Elfmeterschießen gegen die Newell's Old Boys aus Argentinien gewonnen hatte, immer besser ins Spiel. Torwart Zubizarreta verhinderte mehrfach mit Glanzparaden einen Rückstand, gegen den Freistoß von Rai in der 79. Minute war jedoch auch er machtlos.
„Hier zu gewinnen heißt, sich als Weltmeister zu fühlen“, hatte Johan Cruyff vorher gesagt – und genau das taten die Brasilianer. „Für uns war wichtig, daß wir hier die Nummer eins der Welt werden“, meinte Coach Tele Santana.
Matti
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