Ein wirtschaftsfreundliches Team

Bei der Verteilung der Kabinettsposten setzt der neue US-Präsident Clinton lieber auf Wallstreet-Erfahrung als auf linke Denkfabriken  ■ Von Andrea Böhm

Washington (taz) – In der Wallstreet und in den Chefetagen der Unternehmen standen die Zeichen auf Entwarnung, im „Economic Policy Institute“ (EPI) sah man hingegen betretene Mienen. „Überrascht und enttäuscht“ – mit diesen Worten beschrieb EPI-Präsident Jeff Faux seine Reaktion, als er von den ersten fünf Kabinettsmitgliedern des neuen Präsidenten Bill Clinton erfuhr.

Der texanische Senator Lloyd Bentsen (71), ein Kongreß-Insider mit 22 Jahren Amtszeit und einem starken Hang zur Kungelei mit den Industrieverbänden, wird zum Finanzminister befördert (siehe taz- Porträt vom 10.12.); ein Investment-Banker von der Wallstreet, Robert Altman (46), nimmt seinen Stellvertreter-Posten ein. Mit Leon Panetta (54), kalifornischer Abgeordneter der Demokraten im Repräsentantenhaus, hat Clinton einen missionarischen Kämpfer gegen das Haushaltsdefizit zum Budgetdirektor gemacht und ihm mit Alice Rivlin (61), Ökonomin von der Brookings Institution, eine Frau als Vizechefin an die Seite gestellt, die den Staat nicht nur zu einem ausgeglichenen Haushalt, sondern auch zu Rücklagen für die Renten zukünftiger Generationen zwingen will.

Den vielleicht wichtigsten Posten neben dem Präsidenten und der First Lady hat wiederum ein Mann von der Wallstreet ergattert. Robert Rubin (53), Co-Chef von Goldman Sachs und Co., einer der mächtigsten Investment-Banken der Welt, wird dem neu zu schaffenden „Ökonomischen Sicherheitsrat“ vorstehen, der analog zum außen-und militärpolitischen Beratergremium des „Nationalen Sicherheitsrates“ in Zukunft die Wirtschafts- und Finanzpolitik der USA mitkoordinieren soll.

Bentsen, Altman, Rubin, Rivlin und Panetta – diese Namen stehen nicht für das Clintonsche Wahlkampfprogramm staatlicher Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft, das der EPI-Direktor Jeff Faux und vor allem einer der EPI-Gründer, Harvard-Professor Robert Reich, mitformuliert haben. Panetta hatte dieses Programm während des Wahlkampfs sogar ausdrücklich kritisiert – mit dem durchaus berechtigten Einwand, Clinton könne nicht erklären, woher er das Geld für seine staatlichen Investitionen nehmen wolle. „Jetzt gebe ich ihm die Chance, mir im Rechnen Nachhilfe zu erteilen“, erklärte der zukünftige Präsident gut gelaunt am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Little Rock.

In den Augen von Faux jedoch sind Leute wie Panetta und Rivlin „Neo-Calvinisten“, die einen Sparkurs und die Bekämpfung des Defizits für vorrangig halten, einer staatlich gelenkten Industriepolitik jedoch sehr mißtrauisch gegenüberstehen. Für den vielbeschworenen „Wandel“ in der Wirtschaftspolitik stehen die Fünf sicher nicht. Panetta und Bentsen gelten zwar als gute Vermittler zwischen dem neuen Kabinett und dem Kongreß, Rubin und Altman sind Wallstreet-Insider mit politischer Erfahrung, die bereits während des Wahlkampfs nicht nur zu Clintons Beraterstab zählten, sondern auch im New Yorker Finanzzentrum ein gutes Wort für den Demokraten einlegten.

Die Querdenker und Außenseiter kamen dagegen erst einen Tag später zum Zuge. Am Freitag komplettierte Clinton die wirtschafts- und sozialpolitischen Ressorts. Seinen Studienfreund, den Juristen Robert Reich (46), ernannte er zum Arbeitsminister. Laura D'Andrea Tyson (45), Professorin für Ökonomie an der Universität von Kalifornien, wird den Vorsitz des Kreises der Wirtschaftsberater übernehmen – eine Institution, der nach der Einführung des „Ökonomischen Sicherheitsrates“ eher die Rolle des unverbindlichen Brain-Storming- Pools zu kommen dürfte. Ministerin für Gesundheit und soziale Dienste wird die 51jährige Donna Shalala, bislang Kanzlerin der Universität von Wisconsin, die sich lange Jahre mit Hillary Clinton in der Jugendpolitik engagiert hat.

Auch an der Spitze der Bundesumweltbehörde, der „Environment Protection Agency“ (EPA), wird zukünftig eine Frau stehen: die 36jährige Carol Browner, ehemals Mitarbeiterin des jetzigen Vizepräsidenten Al Gore und zur Zeit Umweltministerin im Bundesstaat Florida. Den Posten des Handelsministers vergab Clinton an den Juristen Ron Brown als Belohnung für dessen gute Parteiarbeit. Brown gehört zu den Wegbereitern für Clinton innerhalb der Demokratischen Partei. Die perfekte Inszenierung des Demokratischen Parteitags im Juli war zu großen Teilen sein Werk.

Damit ist der sogenannte linke Flügel der Clintonschen Wirtschaftsberater zwar noch zum Zuge gekommen, doch die entscheidenden Weichen für die zukünftige Wirtschafts- und Finanzpolitik werden im Kreis des Finanzministers, des Budgetdirektors und des „Ökonomischen Sicherheitsrats“ gestellt. Konflikte zwischen beiden Gruppen sind also bereits vorprogrammiert. Die Frage ist, wer näher an Clintons Ohr sitzt.