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"Strafmaß ausschöpfen"

■ Generalstaatsanwälte wiesen Anklagebehörden an, bei rechtsextremistischen Straftaten schärfere Anträge zu stellen

Berlin. Die Generalstaatsanwälte beim Kammer- und Landgericht, Dieter Neumann und Hans- Joachim Heinze, haben die sechs Hauptabteilungsleiter der Berliner Staatsanwaltschaft in einem behördeninternen Schreiben angewiesen, bei rechtsextremistischen Straftaten schärfere Strafanträge zu stellen. Ein Abschnitt des Textes hat bei dem Hauptabteilungsleiter der Jugend-Staatsanwaltschaft, Victor Weber, heftige Irritationen ausgelöst. „Ich interpretiere den dritten Punkt als Aufforderung, bei Jugendstraftätern bei der Strafzumessung generalpräventive Gesichtspunkte zu berücksichtigen“, erklärte Weber. Nach ständiger Rechtsprechung dürfe die Generalprävention (Abschreckung durch Strafe) bei Jugendlichen jedoch „überhaupt keine Rolle“ spielen. Die Strafe könne nur mit individueller Schuld und schädlichen Neigungen (Spezialprävention) begründet werden. Weber befürchtet, daß das Prinzip des Jugendstrafrechts „Erziehen statt Strafen“ mit der Weisung ausgehebelt werden könnte, und hat deshalb beim Generalstaatsanwalt beim Landgericht, Heinze, um ein klärendes Gespräch nachgesucht.

Jener erklärte dazu gestern auf Nachfrage, er teile „die Interpretation von Herrn Weber“ nicht: Der „allgemein gehaltene Hinweis“ sei so zu verstehen, daß im Rahmen der geltenden Gesetze alle Möglichkeiten des Jugendstrafrechts angewendet werden sollten. „Wir versuchen hier keinesfalls, das Jugendstrafrecht zu kippen“, betonte Heinze mit dem Hinweis, er habe dies Weber soeben schriftlich mitgeteilt. Der von der taz mit dieser Antwort konfrontierte Weber gab klein bei: „Mit dieser Interpretation gebe ich mich zufrieden.“

Auslöser für das Schreiben an die Hauptabteilungsleiter der Berliner Staatsanwaltschaft war eine Konferenz der Generalstaatsanwälte der Bundesländer und Generalbundesanwalt von Stahl vom 23./24. November. „Wir waren uns einig, daß den Gefahren des Rechtsextremismus und der Fremdenfeindlichkeit mit gebotener Ernsthaftigkeit begegnet werden muß“, beschrieb gestern der Generalstaatsanwalt beim Kammergericht, Dieter Neumann, die Stimmung. Ein Beschluß für eine gemeinsame Vorgehensweise sei jedoch nicht gefaßt worden, „das ist jedem Generalstaatsanwalt selbst überlassen“. Sowohl Neumann als auch Heinze machten gegenüber der taz jedoch keinen Hehl aus ihrer Auffassung, daß sie die Wiedereinführung des Gedankens der Generalprävention im Jugendstrafrecht für „durchaus überlegenswert“ halten. Im Gegensatz zu anderen Juristen glauben sie, daß sich jugendliche „Mitläufer“ durch eine harte Aburteilung von „Rädelsführern“ abschrecken ließen. Daß es in Moabit einige Jugendrichter gibt, die „von Strafen überhaupt nichts halten und sich offen dazu bekennen, die Verfahren möglichst einzustellen“, schmeckt Heinze überhaupt nicht. „Diese Richter sollten lieber als Sozialarbeiter in die Jugendfürsorge gehen“, findet er. plu

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