Ich bremse auch für Nazis! Von Mathias Bröckers

Neuerdings bin ich stolzer Besitzer eines Buttons gegen Nazis: „Ich greife ein!“. Wenn die ganze schweigende Mehrheit so was trägt, meinte der Freund, der mir das Ding vermachte, „haben Ausländer in der U-Bahn und auf der Straße nichts mehr zu befürchten“. Da hat er natürlich recht, der Gute. Das Dumme an der schweigenden Mehrheit ist nur, daß sie mehrheitlich eben meistens schweigt. Also werde ich einen Teufel tun und nachts mit diesem Aktivisten-Zeichen an der Brust etwa mit der S-Bahn durch Ostberlin fahren. Im heimischen SO 36 ist das was anderes, Kreuzberg ist ja fest in türkischer Hand, da läßt sich so ein Antifa-Button problemlos tragen, selbst wenn die letzten Nahkampf-Erfahrungen aus den frühen Siebzigern stammen und es sich bei den Gegnern nicht um aggressive Glatzen, sondern um volltrunkene Hippies handelte. Aber in Freundesland mit Kriegsbemalung rumzulaufen, macht keinen Sinn, also bleibt das Ding in der Schublade. Und es bliebe wohl auch dort, wenn dank hünenhafter Gestalt und schwarzeneggerähnlicher Schlagkraft ein Eingreifen jederzeit möglich wäre. Denn wie käme ich als zivilcouragierter Terminator dazu, für eine Kohl- Regierung offiziell und uniformiert die Drecksarbeit zu erledigen? Die Täter, die pöbelnd, zündelnd und mordend durch die Lande ziehen, kommen doch nicht aus dem Nichts – sie beziehen ihre Energie aus einem geistigen Umfeld, das Politiker wie Schäuble und Seiters, Waigel und Rühe, Streibl und Stoiber bereitet haben: mit ihrem Gerede von „Deutschland“, von „Überfremdung“ und „durchraßter Gesellschaft“. Sie haben „Wiedervereinigung“ und „Asylantenflut“ zum Thema ihres Wahlkampfs und der Propaganda gemacht und damit überhaupt erst die öffentliche Stimmung geschaffen, in der Begriffe wie „Nation“ und „Rasse“ aus der Mottenkiste der Geschichte geradewegs zu neuem Leben erwachen konnten – und handgreiflich wurden. Sicher, so „brandheiß“ hatten sich die Herrn Christdemokraten das nicht vorgestellt, als sie auf die nationale Karte und den Schwarzen Peter „Asyl“ setzten, wenn sie aber jetzt die Geister, die sie riefen, nicht mehr loswerden, dann gilt es, nicht nur die Besen zu prügeln, sondern vor allem den Zauberlehrling Kohl, der sie in Gang setzte. Der aber versteckt sich seit Wochen hinter Lichterketten und läßt sich, „Arsch hoch, Zähne auseinander“, von unseren schwertoleranten Rockstars gegen Rechts per Euro- Vision das Auslands-Image reparieren, denn auch von ihnen kommt kein Sterbenswort gegen Bonn. Man demonstriert in den United Colours of Bembeltown „gegen Gewalt und Rassismus“, als seien sie wie eine Fliegenplage vom Himmel gefallen und mit ein bißchen Zivilcourage im Kerzenschein schon zur Räson zu bringen. Solange die Courage aber nicht ausreicht, dieser Regierung die mentale Glatze zu putzen, so lange bleiben allgemeine Abscheu und Krieg gegen reale Glatzen eine Alibi-Veranstaltung. Nicht daß wir den braunen Brei weiter überkochen lassen sollen – aber daß die Köche dieses deutschen Menüs endlich ins Visier geraten mögen, steht heuer Platz 1 des politischen Wunschzettels. Platz 2 wäre ein Aufkleber (für die Schublade): „Ich bremse auch für Nazis!“