: Was ist Volksverhetzung?
■ Staatsanwaltschaft Rostock findet zu erstaunlichen Einschätzungen
Düsseldorf (taz) – Als in Rostock Steine und Molotowcocktails auf Flüchtlingsheime prasselten, da klatschten viele biedere Bürger Beifall. Einzelne bekundeten ihre Sympathie sogar ohne jede Scheu in Fernsehinterviews. Die ganze Welt sah zu, nur die Rostocker Staatsanwaltschaft, die hat nichts bemerkt. Es gibt keine Täter, denn selbst die Auswertung aller Bild- und Tondokumente hat für die Staatsanwaltschaft keinen „sicheren Nachweis dafür erbracht, daß eine Sympathiekundgebung der Unterstützung einer strafrechtlich relevanten Aktion galt“. Es könne nicht ausgeschlossen werden, „daß eine Sympathiekundgebung erst nach Beendigung einer Tat erfolgte“. Diese bemerkenswerten Erkenntnisse finden sich in einem Schreiben an die Düsseldorfer Landtagsfraktion der Grünen, die gegen „eine unbekannte Zahl beifallklatschender Bürger“, gegen Bundesinnenminister Seiters, gegen Landesinnenminister Kupfer und gegen Rostocks Innensenator Magdanz Strafanzeige erstattet hatten wegen des Verdachts, die angegriffenen Ausländer durch unterlassene Hilfeleistung gefährdet und zur Volksverhetzung und zum schweren Landfriedensbruch Beihilfe geleistet zu haben.
Beihilfe zur Volksverhetzung kann es in Rostock nach dem Schreiben der Staatsanwaltschaft schon deshalb nicht gegegen haben, weil es an der Haupttat selbst fehlte: „Anläßlich der Ausschreitungen in Rostock Lichtenhagen [konnte] bei keinem der beteiligten Gewalttäter der Nachweis einer Volksverhetzung geführt werden.“ Rufe wie „Ausländer raus“ oder „Deutschland den Deutschen“ seien zwar „im weiteren Sinne diskriminierend und ausländerfeindlich“, nicht jedoch volksverhetzend. Nur im Falle des Landesinnenministers Lothar Kupfer scheint die Lage für die Staatsanwaltschaft etwas vertrackter zu sein. Da steht die Einstellungsverfügung noch aus. J.S.
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