: Subkultur am rassistischen Expander
■ Jugendkultur und Neofaschismus stehen im Zentrum einer Tagung von Musikjournalisten und Künstlern
und Neofaschismus stehen im Zentrum einer Tagung von Musikjournalisten und Künstlern
Die Situation, mit dem sich der kritische Musikjournalismus neuerdings konfrontiert sieht, hat frappierende Ähnlichkeit mit der Phase Ende der Siebziger, Anfang der Achziger, als im Vereinigten Königreich National Front und British Movement die Skinheads für die Rechte politisierten. Im Zuge des Punk und der mittransportierten Verwirrung über die Grenzen der Provokation erhielten plötzlich Bands wie Screwdriver bei Independent-Firmen wie Rough Trade die Möglichkeit, ihre rassistische Haltung auf Platte zu pressen (später vernichtete Rough Trade in einer öffentlichen Aktion alle Kopien).
Auch das ökonomische und soziale Beet der britischen Skinhead- Bewegung wies in groben Zügen die selben Bestandteile auf wie in Beutedeutschland, wo die chauvinistische Rechtspropaganda den sozialen Neid ähnlich erfolgreich instrumentalisiert. Dieser Einbruch in die Vorstellung von Jugendkultur als a priori antiautoritär hat jetzt eine Gruppe von Hamburger Journalisten, Musikern und anderen Medienarbeitern zur Gründung einer Initiative mit dem klangvollen Namen Wohlfahrtsausschuß veranlaßt, die primär auf zwei Strängen versucht, mit dem Phänomen „rechte Jugendkultur“ umzugehen.
Zum einen wird versucht, den „öffentlichen Raum für Gruppen wie die Goldenen Zitronen (die ja in Brandenburg bereits einmal in einen Hinterhalt gelockt worden sind) im Osten zu schützen.“ Ziel ist es, eine Konzert- und Vortragsreihe durch Rostock, Ost-Berlin, Leipzig und Dresden im Frühjahr '93 auf die Beine zu stellen, nicht zuletzt, um die dortige antifaschistische Infrastruktur zu stärken.
Zum anderen wird unter dem Titel Etwas besser als die Nation eine geschlossene Tagung abgehalten, auf der widersprüchliche Thesen (u.a. von Diederich Diederichsen und Günther Jacob) über den tiefgreifenden Wandel der Jugendkultur und mögliche Strategien und Reaktionen auf den neofaschistischen Einsickerprozeß in sicher geglaubte Terrains diskutiert werden. Begleitend findet am Freitag ab 20 Uhr ein Konzert mit sechs deutschen HipHop-Bands und diversen DJs in der Roten Flora (nicht wie angekündigt im Mekka) statt, auf der auch die Diskussionsergebnisse vorgestellt werden. Die Einnahmen werden, für den Fall, daß man das Tour-Projekt nicht wegen zu gro-
1ßer Gefahr verwirft, für dessen Organisation verwendet.
Wichtig ist den Initiatoren vor allem, daß ein Schritt der Koordination zwischen den einzelnen Be-
1teiligten eingeleitet wird, der von der individuellen Schreibarbeit zu aktiven antirassistischen Unternehmungen führen kann. Ein mehr als notwendiger Schritt, der dringend
1Nachahmung verlangt. Till Briegleb
Konzert am 18.12. mit: King Size Terror, Easy Business, Dub Me Ruff, Absolute Beginner, Readykills und Upstart, Rote Flora, 20 Uhr
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