Bahn bezwungen

■ Wie es der Alpenverein mit Hilfe des VCD schaffte, daß ein ausgebuchter Reisezug um einen Waggon verlängert wurde

Berlin. Frau Bärbel Jochum- Mann war restlos enttäuscht. Als sie im Reisebüro 30 Plätze im Liegewagen reservieren lassen wollte, gab es nur noch Sitzplätze. Und das, obwohl sie vor diesem Morgen um neun Uhr – zwei Monate bevor die Reise losgehen sollte – gar keine Liegeplätze reservieren konnte. Denn früher ist im Reisebüro eine Buchung nicht möglich. Empört schrieb die 43jährige Lehrerin daraufhin an die Bundesbahn. In zahlreichen Gesprächen habe sie vor ihren Bekannten im Alpenverein die Vorzüge der Bahn gelobt und „allen davon abgeraten“, mit dem Auto nach Österreich zu fahren, erläuterte sie in ihrem Brief. Für Frau Jochum- Mann war unverständlich, wie ein ganzer Zug schon vollständig belegt sein kann, obwohl doch gar nicht die Möglichkeit bestand, vorher zu buchen. Weil die Bahn-Begeisterte sich auch beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) beschwerte, kam aber schließlich alles anders: Die Deutsche Bundesbahn machte den Zug für den letzten Schultag vor den Winterferien um einen Wagen länger.

Seitdem er für den VCD arbeite, „war das eines meiner schönsten Erlebnisse“, sagt Gerd Lottsiepen. Der Verkehrsberater hatte auf Grund der Beschwerde von Frau Jochum-Mann bei der Bundesbahn angerufen. Innerhalb einer halben Stunde gab es dann den zusätzlichen Liegewagen Richtung Österreich. Dennoch wird es der Deutsch- und Französisch-Lehrerin auch beim Buchen der nächsten Reise passieren können, daß der gewünschte Zug voll ist, bevor die Bergwanderin reservieren kann.

Denn offenbar gibt es die Möglichkeit, bis zu sechs Monate vor Reiseantritt ohne die Hilfe eines Reisebüros Plätze zu reservieren – mit einem Brief, den man direkt an die Bahn schickt. Außerdem haben Reisebüros zwei Monate vor der geplanten Zugfahrt auf den Computer der Bundesbahn nicht erst ab neun Uhr, sondern schon um sechs Uhr Zugriff, sagt Lottsiepen. Mitarbeiter „schlauer“ Reisebüros würden in diesem Fall für ihre Kunden drei Stunden eher aufstehen – zumindest dann, wenn der Kunde an Tagen mit großem Andrang reisen wolle.

Bärbel Jochum-Mann ist dennoch nur halb zufrieden. Sechs Monate vor einem geplanten Urlaub könne eine Reisegruppe unmöglich die Plätze bei der Bahn buchen. So frühzeitig reserviere man normalerweise auch nicht die Hotelzimmer, sagte sie der taz. Die Bundesbahn konnte allerdings einen Kritikpunkt des Alpenverein- Mitglieds entkräften. Gegenüber der taz sagte der bei der Bundesbahn für den Personenverkehr zuständige Mitarbeiter, daß auch für Einzelpersonen ein zusätzlicher Waggon angehängt worden wäre – wenn genug Reservierungen für den Extra-Liegewagen zusammengekommen wären. Dirk Wildt