Hetzjagd live in Mogadischu

■ Französische Fremdenlegionäre, somalische Männer und eine verfolgte Frau

Berlin (taz) – Die junge Somalierin sitzt zwischen zwei Fremdenlegionären in dem offenen Militärjeep. An einer Straßensperre im Herzen Mogadischus hält der Wagen an. Die Soldaten sind nervös. Eine unüberschaubare Menge von aufgebrachten Männern kommt auf sie zugelaufen. Die ersten sind nur noch wenige Meter entfernt. Einer der Franzosen öffnet die Tür des Jeeps. Er zieht die widerstrebende Somalierin am Arm auf die Straße. Und wendet den Blick ab.

Die Frau rennt sofort los. Schreiend und mit drohend erhobenen Fäusten hetzen mehrere hundert Männer sie über den großen Platz. An einem Marktstand wird sie von Steinwürfen getroffen. Die ersten Verfolger holen sie ein. Von allen Seiten prasseln jetzt Schläge auf sie nieder. Männerhände zerren ihr das bunte Kleid vom Körper. Sie reißen ihr die weiße Unterwäsche vom Busen. Mit nacktem Oberkörper steht sie da – eingekeilt zwischen der tobenden Meute und Obst- und Gemüseständen. Aus wenigen Metern Entfernung beobachten französische Soldaten die Szene.

Der Kreis um die Frau schwillt weiter an. Immer neue Männer schlagen auf sie ein. Da fällt ihr Blick auf ein großes Messer zwischen den Melonen. Sie greift danach und hält es schützend vor ihre Scham. Einen Moment lang beherrscht das Messer die Szene. Dann reißt ein Mann das Handgelenk der Frau an sich.

An dieser Stelle bricht der Film ab. Das französische Fernsehen strahlte ihn am Montag abend in mehreren Nachrichtensendungen aus. Ein Team der amerikanischen Agentur „Visnews“ hatte die Hetzjagd am selben Tag aufgenommen. Die Kamera stand auf dem Dach des einzigen Hotels von Mogadischu, direkt neben dem großen Platz im Stadtzentrum.

In Mogadischu kursieren die abenteuerlichsten Versionen über die junge Frau, deren Name nirgends genannt wird. Das französische Militär behauptet, sie sei zur Fremdenlegion gekommen und habe um Hilfe gebeten, weil sie von einer Menge verfolgt werde. Daraufhin habe man sie in einem Jeep einige hundert Meter weiter in Sicherheit bringen wollen. Nachdem die Menge über sie hergefallen sei, hätten somalische Milizionäre die Frau festgenommen und in ein Gefängnis gebracht. Dort halte sie sich jetzt auf.

Die amerikanische Nachrichtenagentur Reuter übermittelte, die Frau sei „später“ ermordet worden. Die somalische Zeitung Xog Ogaal schrieb, die Frau habe beim Verhör durch Milizionäre von General Farah Aidid gestanden, mit ausländischen Soldaten geschlafen zu haben. Die Menge habe sie mit dem Ruf verfolgt: „Wir wollen kein Aids.“ Starlin Arush, Sprecherin einer somalischen Frauengruppe, sagte der französischen Tageszeitung Libération, sie habe die junge Frau im Gefängnis gesehen. Dort heiße es, die Frau sei „zu ihrer eigenen Sicherheit“ verhaftet worden.

Auf den Plätzen Mogadischus ist die junge Frau längst wegen Prostitution verurteilt. Man will sie dabei beobachtet haben, wie sie eine amerikanische Baracke verließ und wie sie Dollars von einem französischen Soldaten erhielt.

Die französische Armee hat eine Untersuchung eingeleitet. Dorothea Hahn