Brötchen, aber keine Kleider

■ Die Kampnagel-Leitung resümierte das "Krisenjahr" und stellte ihre Pläne für '93 vor

-Leitung resümierte das „Krisenjahr“ und stellte ihre Pläne für '93 vor

Mit gedämpfter Zufriedenheit sieht die Leitung von Kampnagel ins nächste Jahr. Zwar sei man der Kultursenatorin Christina Weiss sehr dankbar für die politische Anerkennung, die sie Kampnagel mit der Umwandlung in eine GmbH beschert habe, „wie es konzeptionell weitergehen soll, beantwortet die GmbH aber nicht“, so Jack Kurfess, kaufmännischer Geschäftsführer bei einem Pressegespräch zum Jahresabschluß. Die Schere zwischen Ansprüchen an das Gelände und finanzieller Ausstattung klafft nachwievor weit auseinander.

Auch die Etatsteigerung um 20 Prozent für 1993 auf 4,8 Millionen Mark (inklusive Bau- und Anschaffungsmittel: 5,6 Millionen) ließe die Verwirklichung eines „Gastspiel- und Produktionsortes im europäischen Zusammenhang“ nicht zu. „Man kauft uns ein paar Brötchen, damit wir nicht verrecken, aber keine Kleider“, so Kampnagel- Dramaturg Michael Batz zur Situation des künstlerischen Betriebes. Wichtige Gastspiele seien ebensowenig zu finanzieren, wie eine vernünftige Unterstützung der auf dem Gelände produzierenden Freien Gruppen. Pläne mit Perspektive, wie die Verwirklichung von Produktionszusammenhängen zwischen verschiedenen internationalen Theaterleuten und -gruppen oder eine professionelle Nachwuchsarbeit, würden nocheinmal eine Etataufstockung von mindestens zwei Millionen Mark erfordern.

Trotz des „Krisenjahres '92“ hätte, so Hans Man in't Veld, künstlerischer Leiter an der Jarrestraße, das „Publikum das Gelände nicht im Stich gelassen“. Die Platzauslastung sei mit 68 Prozent höher als im letzten Jahr und auch das Aufführungsangebot liegt weit über dem Schnitt.

Trotz des finanziellen Korsetts wartet Man in't Velds Team mit einer Unmenge Pläne für das nächste Jahr auf. Neben den festen Einrichtungen wie Kabarett-Festival (Februar/März) oder Tanztheater- Wochen (März/April) wird die Mediale im Februar auch auf Kampnagel ihre Spuren hinterlassen. Multimediale Theaterproduzenten wie Coax, Brigitte Leeser oder Gabriella Bußacker stellen ihre neuen Projekte vor und die Brüssler Gruppe Plan K zeigt ihr Stück Titanic, das in einer Bühne des italienischen Video-Künstlers Fabrizio Plessi inszeniert wird.

Im Januar will man sich in diversen Projekten mit der neuen Fremdenfeindlichkeit auseinandersetzen und im Mai bietet das Festival Junge Hunde fünf Hamburger Nachwuchsgruppen die Chance, sich im internationalen Vergleich mit jungen Regisseuren zu messen (Projektanträge noch bis 15.Januar).

Die Realisation der drei wichtigsten Projekte des neuen Jahres steht allerdings noch völlig in den Sternen. „Freihändig“, sprich ohne Koproduzenten oder/und Sponsoren, kann weder Werner Schwabs Faust noch das Gastspiel des Moskauer Taganka Theaters, die Alfred Schnittke-Oper Schiwago, stattfinden. Lediglich das hauseigene Projekt Fabrik/Zeit/Schiff, in dem 100 Jahre Kampnagel-Geschichte verarbeitet werden, scheint relativ gesichert zu sein. Till Briegleb