Große Unis müssen abspecken

■ Empfehlungen der Landeshochschulstrukturkommission liegen vor/ Naturwissenschaftler sollen nach Adlershof

Berlin. Als Meilenstein auf dem Weg zu einem leistungsfähigen und attraktiven Hochschulsystem in ganz Berlin hat Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) die Empfehlungen der Landeshochschulstrukturkommission (LHSK) bezeichnet. Gestern übergab Jürgen Mittelstraß, Vorsitzender der LHSK, das 434 Seiten lange Werk dem Regierenden Bürgermeister.

„Die LHSK empfiehlt, die naturwissenschaftlichen Fachbereiche der Humboldt-Uni nach Adlershof auszulagern“, so Mittelstraß. Dort solle einer der attraktivsten Standorte für die Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft in Europa entstehen. Das uneffektive Kuratorialsystem soll durch einen Berliner Universitätsrat, bestehend aus Vertretern der Universitäten, des Senats und des Abgeordnetenhauses, ersetzt werden. Dieses Gremium solle Profil-, Haushalts- und Organisationsfragen entscheiden und die Hochschulen „permanent evaluieren“. Um der Qualität von Lehre und Forschung willen müßten die beiden großen Westberliner Unis auf eine „vernünftige Größe“ zurückgestuft werden.

Die Empfehlungen haben zwar keinerlei bindenden Charakter, sollen jedoch, so der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen, „eine wesentliche Grundlage für die Hochschulpolitik sowie für Haushalts- und Strukturfragen in den nächsten zehn Jahren sein“.

Sein Haus werde jetzt einen Hochschulstrukturplan erarbeiten, für den er eine Beschlußfassung im Senat für den Sommer 1993 anstrebe, sagte Senator Erhardt. Vor allem werde für einen finanzpolitischen Rahmen gesorgt, der Umstrukturierungsprozeß an den Westberliner Unis vorangetrieben, das Hochschulmanagement verbesert und eine Reform der Studienstruktur angestrebt. „Es geht nicht an, daß Berlin weiterhin Weltmeister ist, was lange Studienzeiten und Abbrecherquoten angeht.“ Zu diesem Zweck könne er sich auch die Wiedereinführung von Studiengebühren vorstellen, die könne man schließlich sozial und leistungsbezogen staffeln.

Vor allem die Idee des Universitätsrats stieß bei Universitätsvertretern auf Kritik. „Die Kuratorien haben sich gerade in der Verzahnung aller Statusgruppen bewährt, denen die Universität Rechenschaft schuldet“, so Marlis Dürkop. „In dem neuen Gremium sollen weder die gesellschaftlichen Gruppen noch die Studenten und der Mittelbau vertreten sein. In den Hochschulen geht es um die Entwicklung junger Menschen, da muß es Transparenz und Mitspracherechte geben“, sagte Bernd Rissmann, stellvertretender DGB- Vorsitzender in Berlin. cor