Geld allein ist für die Hilfe zu wenig

Wie kann man den vergewaltigten Frauen von Bosnien-Herzegowina helfen? In den verschiedenen Initiativen wird heiß diskutiert. Es geht in Deutschland und Kroatien um die Frage, wer die TrägerInnen vor Ort sein sollen.  ■ Von Erica Fischer

Seit einer Reportage im ZDF- Frauenmagazin „Mona Lisa“, das berichtete, was seit dem Sommer den Printmedien hätte entnommen werden können, geht eine Welle der Betroffenheit durchs Land. Rupert Neudeck von Cap Anamur hat innerhalb weniger Tage in Niedersachsen 150.000 Mark lockergemacht und in der Nähe Zagrebs auch schon zwei Hotels für die Rehabilitation von vergewaltigten Frauen angemietet – was allerdings durch die kroatische Regierung behindert wird. Bayern hat einen – selbstredend männlichen – Abgesandten in die kroatische Hauptstadt geschickt, um nach einem geeigneten Frauenhaus Ausschau zu halten. Und längst zur Stelle sind natürlich die Unvermeidlichen: katholische Kirche und Caritas. Auch ein US- amerikanischer Abtreibungskonzern soll schon in Zagreb vorstellig geworden sein.

In der Bundesrepublik hat die „Mona Lisa“-Redaktionsleiterin Maria von Welser zusammen mit Herta Däubler-Gmelin (SPD) und Uta Würfel (FDP) ein Spendenkonto eingerichtet, die österreichische Frauenministerin Johanna Dohnal wiederum tut sich, wie in Österreich Brauch, mit schwarzer Familienministerin und Caritas zusammen. In der Schweiz, in den Niederlanden, in den USA – überall wird Geld gesammelt und für rape crisis centers gespendet. Und Lea Rosh plant für Februar mit dem NDR einen Riesenfrauenspektakel in Zagreb.

Am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, waren denn auch in ganz Europa Zehntausende Frauen und Männer deswegen auf die Straße gegangen, die größten Demonstrationen fanden in der Schweiz statt. Alle sind sich einig: Die systematischen Massenvergewaltigungen sind Kriegsverbrechen und müssen bestraft, den Frauen und Mädchen muß geholfen werden. Nur eine Forderung wird hierzulande kaum erhoben: die Aufhebung des Visumpflicht für Menschen aus Bosnien-Herzegowina, die just in jenem Augenblick eingeführt wurde, als der Krieg seinen Anfang nahm; die Öffnung der Grenzen für die Hunderttausende, die den kommenden Winter wahrscheinlich nicht überleben werden, weil auch in Kroatien – das zwar schon 700.000 Flüchtlinge aufgenommen hat – das Mitgefühl für die ehemaligen Landsleute längst versiegt ist. Aber da werden plötzlich Bedenken laut. Jene, die noch vor kurzem vor den Fernsehapparaten geweint haben, fürchten mit einer allzu großzügigen Aufnahme bosnischer Flüchtlinge den Serben bei der ethnischen Säuberung behilflich zu sein. Der eigentliche Skandal – daß die Lager schon aufgelöst sein könnten, wenn sich Aufnahmeländer für die Insassen fänden – verhallte bei der Bonner Anhörung am 7. Dezember im Geplapper über dies und das.

In bezug auf die Hilfe für die vergewaltigten Frauen geht es jetzt um die Verteilung. Und da ist auch nicht alles im Lot. Selbst die Hauptgewährsfrau aus Zagreb, die im Dienst der bosnischen Regierung sechs Monate lang Material zu den Vergewaltigungen gesammelt hat und eine regierungsamtliche Bestätigung in der Tasche trägt, die sie autorisiert, die Interessen der Frauen von ganz Bosnien-Herzegowina wahrzunehmen, wünscht sich deutsche Großzügigkeit nur in D-Mark-Form. Mit emotionslosem Gesicht forderte die Muslimanin Nina Kadić bei ihrem Deutschlandbesuch vorige Woche ein ums andere Mal nur eins: Geld für ein Beratungs- und Betreuungszentrum in Zagreb unter dem Dach der Frauengruppe „Trešnjevka“. Andere Gruppen in Zagreb sind kroatisch-nationalistisch gestimmt, wie die Frauengruppe „Kareta“ um das SOS-Nottelefon. Trotzdem fehlt es an Geld am allerwenigsten. Anruferinnen aus aller Welt wollen nur das eine: die Kontonummer.

Frauen möchten begreiflicherweise für Projekte spenden, deren Trägerschaft in feministischer Hand ist. Allein das feministische rape crisis center gibt es noch nicht. Um konstruktiv zu sein, trafen sich am Tag nach der Anhörung Vertreterinnen von Frauen- und Friedensinitiativen im Internationalen Frauenfriedensarchiv in Oberhausen mit Nina Kadić und ihrer Mitarbeiterin Zeljka Mrkić. Denn der Geldsegen ist beträchtlich. Das Land Nordrhein-Westfalen stellte anderthalb Millionen Mark für die Betreuung vergewaltigter Frauen in Kroatien und Bosnien zur Verfügung. Das Internationale Frauenfriedensarchiv machte sich Hoffnungen, die Gelder unter seine Fittiche zu bekommen.

Bei der Diskussion über die Träger kam auch Nina Kadić in die Schußlinie. Die übersteigerte Medienaufmerksamkeit, der sich Nina Kadić in den letzten Wochen erfreuen durfte, könnte, so die Meinung einiger Frauen, Allmachtsgefühle geweckt haben. Mit dem Hinweis auf den Krieg und die schlechte Erreichbarkeit der noch bosnischen Zonen – wo es immer noch Gruppen und Organisationen gibt, die humanitäre und politische Arbeit leisten – setzte Kadić sich mit einem vereinnahmenden „Wir“ über die Eigenstaatlichkeit von Bosnien-Herzegowina hinweg. Der Verdacht, sie wolle alles in Zagreb zentralisieren, kam bei manchen Frauen auf und führte zu heftigen Diskussionen.

Zur Eskalierung des Streits über diese Fragen kam es, als die Frauen in Oberhausen beschlossen, einen internationalen Beirat zu bilden, der Richtlinien für die Verwendung der Spendengelder festlegen soll. Ähnlich gehen inzwischen Berliner Frauen vor, die nach einer Veranstaltung im „Süd Ost Europa Kultur Zentrum“ einen Beirat gebildet haben. Auch in Zagreb hat sich eine Frauenlobby gegründet, die diese Forderungen unterstützt. Dabei wird es in erster Linie darum gehen, jeden direkten oder indirekten Einfluß von Staat und religiösen Institutionen auszuschließen und neben Fraueninitiativen aus Kroatien auch Gruppen aus Slowenien, Serbien-Montenegro und unbedingt Bosnien- Herzegowina am erwarteten D-Mark-Segen zu beteiligen. Der Schwesternstreit um das ganz große Geld aus Nordrhein-Westfalen hat sich wohl erübrigt. Die Staatskanzlei wird sich selbst vor Ort um die Verteilung der den vergewaltigten Frauen zugedachten Mittel kümmern. Wer für die Projektabwicklung in der Region zuständig sein wird, ist noch offen. Im Gespräch bleibt Cap Anamur. Vielleicht ist's zunächst sogar besser so.

Spenden an: Frauenfriedensarchiv Oberhausen, Kennwort „Nachbarinnen in Not“, Bank für Gemeinwirtschaft, BLZ 360 101 11, Kto. Nr. 177 705 7102