Tragikomödie ums Theatron

■ Fällt in dem Off-Theater am Jahresende der Vorhang? / Besitzer und Intendant im Dauerclinch / Die Steg droht mit Abriß, die Kulturbehörde spielt auf Zeit

am Jahresende

der Vorhang? / Besitzer und Intendant im

Dauerclinch / Die Steg droht mit Abriß, die

Kulturbehörde spielt auf Zeit

Das Theater auf der Bühne des Theatron – Nebensache! Das wirklich dramatische Schauspiel findet hinter den Kulissen statt. Dort führen Theatron-Hauptmieter Alejandro Alvarez und Theater-Leiter Kevin Kinsella einen bühnenreifen Kleinkrieg, der den Bestand des kleinen Off-Theaters an der Glashüttenstraße bedroht. Und auch die Stadterneuerungsgesellschaft (Steg) und die Kulturbehörde liegen im Clinch, schieben sich gegenseitig die Schuld dafür zu, daß die Zukunft der Bühne gefährdet ist.

Ob sich der Vorhang in dem im Karo-Viertel gelegenen Theater im kommenden Jahr noch öffnet, steht in den Sternen. Alvarez hat Kinsella zum Jahresende gekündigt. Doch nicht einmal darüber, worauf sich diese Kündigung bezieht, herrscht

1zwischen den beiden Streithähnen Einvernehmen. Während Kinsella mit Alvarez mündlich einen Untermietvertrag ausgehandelt haben will, behauptet Alvarez, mit dem Iren nur eine „einjährige Probeintendanz“ vereinbart zu haben.

Anfang 1991 hatte Alvarez Kinsella angeheuert, um das abgewirtschaftete Theater wieder in die schwarzen Zahlen zu führen. Unter Alvarez' Leitung hatten die wenigen Aufführungen der 1986 gegründeten Bühne quasi unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattgefunden. Das Theater geriet mit 230000 Mark ins Minus. Alvarez stopfte das Loch durch die Gewinne, die sein im gleichen Gebäude befindliches Restaurant abwarf.

Seit Kinsella im Januar vergangenen Jahres die Intendanz der Bühne

1übernommen hatte, ging es mit dem Off-Theater bergauf. Gastgruppen wurden eingeladen, das Ensemble wiederbelebt und zahlreiche Eigenproduktionen auf die Beine gestellt. Binnen eines Jahres schaffte es der Ire, die Zahl der Aufführungen zu vervierfachen, die durchschnittliche Besucherauslastung des 99-Platz-Theaters von 16 Prozent auf 50 Prozent zu steigern.

Doch mit dem Erfolg kam der Zwist. So sperrte jeder der beiden Streithähne in diesem Jahr den anderen aus, indem er unangekündigt das Schloß an der Eingangspforte des Theatron auswechselte. Alvarez witterte einen düsteren Pakt zwischen Kinsella und der Steg, der das Gebäude gehört. Die Steg hatte als Vorbedingung für eine notdürftige Instandsetzung des Theaters gefordert, den Mietvertrag für Theater und Restaurant in zwei Verträge zu splitten. Kinsella sollte Hauptmieter des Theaters werden, Alvarez fühlte sich herausgedrängt. Seine Lebenspartnerin Sarah Picard beschuldigt Kinsella gar, eine „Imagedemontage bis zur Existenzvernichtung“ ihres Gatten zu betreiben.

1Kinsella hingegen, dem es im Mai nur mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers gelang, den Zugang zu dem versperrten Theater zu erreichen und den Spielbetrieb wieder aufzunehmen, wirft Alvarez vor, nun „die Früchte unserer erfolgreichen Arbeit absahnen“ zu wollen, indem er ihn vertragsbrüchig auf die Straße zu setzen versucht. Im September flatterte Kinsella schließlich die Kündigung ins Haus: Bis zum Jahresende soll er das Theater räumen. Der Ire zog vor Gericht, das bislang allerdings noch keine Entscheidung fällte.

Auch die Steg plant inzwischen nicht mehr, Kinsella zum Mieter des Theaters zu küren. Steg-Geschäftsführer Peter Jorzick betont: „Wir haben juristisch prüfen lassen, ob wir den Mietvertrag für das gesamte Gebäude mit Alvarez vor 1995 kündigen können — mit negativem Ergebnis“. Zur Zeit findet eine zweite Prüfung der Vereinbarung durch die Juristen des Vereins Mieter helfen Mietern statt.

Doch selbst wenn Kinsella auch im nächsten Jahr das Theatron noch leiten sollte, droht der kleinen Bühne das Aus. Nach dem gül-

1tigen Erneuerungskonzept für das Karo-Viertel ist ein Abbruch des Theaters zumindest möglich. Die für die Sanierung des Stadtteils zuständige Steg will dem aus Behördenvertretern bestehenden Sanierungsarbeitskreis drei Zukunftsvarianten anbieten. Eine sieht einen Totalabriß des maroden Gebäudes vor, die beiden anderen zumindest den Abbruch von Gebäudeteilen. Steg-Chef Peter Jorzick: „Ein Erhalt des Gesamtkomplexes ist außerhalb der Diskussion“.

Auch eine Sanierung des baufälligen Gebäudes, die für das Theatron erhöhte Mietkosten nach sich ziehen würde, hält Jorzick nur für sinnvoll, wenn sich die Kulturbehörde entschließt, die Spielbühne finanziell zu fördern. Jorzick: „Wir stecken keine Million in eine Investitionsruine“. Die Theaterreferentin der Kulturbehörde, Monika Schöneweiß, allerdings blockt ab: „Wir werden nichts unternehmen, bis die Steg über die Zukunft des Theaters entscheidet“. So könnte sich die Tragödie um das kleine Theater von selbst erledigen. Applaus wird dafür sicher niemand spenden. Marco Carini