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■ MediaBazaarEmpfindlicher Ankläger

Hamburg (taz) – Der stellvertretende Generalstaatsanwalt von Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Helmut Münzberg, hat beim Landgericht Hamburg im Eilverfahren zwei einstweilige Verfügungen gegen den Verlag Edition Nautilus erwirkt. Seine Vorgehensweise als öffentlicher Ankläger im Fall des SS-Obersturmführers Arnold Strippel sei in dem Buch „Der Rote Kanal“ von Karl-Eduard von Schnitzler „in ehrverletzender Weise“ dargestellt worden. Unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 500.000 Mark, ersatzweise Haft bis zu zwei Jahren, wird der Vetrieb des Buches in seiner jetzigen Form verboten. Die zweite Verfügung verlangt vom Verlag, in jedem im Handel befindlichen Buch eine Gegendarstellung nachzuliefern. Diese gilt für Seite 163 des bereits im September erschienenen Buches. Dort empört sich von Schnitzler am Beispiel Helmut Münzbergs in drastischer Weise über Westimporte für die Justiz der neuen Bundesländer: Als Oberstaatsanwalt in Hamburg hatte Münzberg in den 60er Jahren gegen den KZ-Kommandeur Strippel, der damals wegen 21 Morden im KZ Buchenwald verurteilt worden war, wegen der Erhängung von 20 Kindern am 20. April 1945 im Keller der Schule Bullenhuser Damm zu ermitteln. Statt Anklage zu erheben, stellte Münzberg jedoch das Verfahren 1967 ein. Eine Tatbeteiligung sei Strippel nicht nachzuweisen, außerdem fehle das Mordmerkmal „Grausamkeit“, da die Kinder vor dem Erhängen betäubt worden seien. Strippel kam wenig später frei und erhielt sogar, wie das Kulturmagazin „ttt“ am letzten Sonntag berichtete, 121.000 Mark Haftentschädigung und lebt heute unbehelligt bei München (taz v. 15. 12. 92).

Münzberg geht nun gegen das Buch vor, weil dort der Eindruck erweckt werde, er habe auf „Freispruch“ plädiert. Deshalb hatte der jetzige stellvertretende Rostocker Generalstaatsanwalt zuvor schon von Verlag und Autor eine Unterlassungserklärung, 10.000 Mark Schmerzensgeld und Schadenersatz in unbestimmter Höhe gefordert. Bereits im Sommer dieses Jahres war Münzberg wegen eines Filmbeitrags über ihn und seine Karriere erfolgreich gegen den NDR vorgegangen.U.K.

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