Extrawürste für das Gatt

Frankreich torpediert den Agrarkompromiß zwischen USA und EG/ In allen Bereichen Sonderwünsche auf dem Verhandlungstisch  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Der Agrarkompromiß zwischen der EG und den USA, mit dem im November gerade eben ein Handelskrieg um Sojabohnen, Salatöl und Wein vermieden wurde, wird jetzt von Frankreichs Regierung massiv attackiert. Wenn heute nachmittag in Genf der oberste Lenkungsausschuß des Gatt zusammentritt, um die Verhandlungen über eine Liberalisierung des Welthandels fortzusetzen, wird der EG-Unterhändler vor allem darüber nachgrübeln müssen, ob er überhaupt über Agrarfragen mitverhandeln darf. Seit 1986 versuchen in Genf die Vertreter von 108 Staaten, sich auf ein neues Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (Gatt) zu einigen, das weltweite Regeln für den Handel enthalten soll.

Nach dem Agrarkompromiß hatte Gatt-Generaldirektor Arthur Dunkel einen schnellen Abschluß der Verhandlungen für möglich gehalten. Doch am Mittwoch abend warf der französische Außenminister Roland Dumas auf einer Pressekonferenz in Genf der EG-Kommission vor, ihr „Mandat überschritten“ zu haben. Gegen die ausdrückliche Vereinbarung beim EG-Gipfel in Edinburgh hätten Vertreter der Kommission neue Vorschläge für den Agrarbereich auf den Gatt-Verhandlungstisch gelegt. Dies, so Dumas, habe er „mit Überraschung“ bei einem Gespräch mit Generaldirektor Dunkel erfahren.

Die Vorschläge der EG-Kommission beruhen auf dem jüngsten Agrarkompromiß mit den USA, der von Frankreich als „völlig ungenügendes Pseudo-Arrangement“ (Dumas) entschieden abgelehnt wird. Der Vizepräsident der EG-Kommission, Frans Andriessen, bemühte sich unterdessen, den Stellenwert der Agrarfragen herunterzuspielen. Bei den Verhandlungen um ein neues Gatt- Abkommen stehe „mehr auf dem Spiel als die Interessen der Landwirtschaft“, weshalb Frankreich später einlenken werde. In Frankreich sind knapp sechs Prozent der Erwerbstätigen im Agrarbereich beschäftigt, in Deutschland drei.

Jenseits des Agrarstreits steht offenbar auch der Textilbereich wieder zur Disposition. In der Verhandlungsgruppe über eine Liberalisierung des Textilhandels haben die USA diese Woche eine wesentliche Veränderung des von Dunkel vorgelegten Vertragsentwurfes verlangt. Dunkels Papier sieht ein Auslaufen aller bisherigen Textilhandelsabkommen innerhalb von zehn Jahren vor. Die US-Regierung verlangt nun eine Auslauffrist von fünfzehn Jahren.

Dabei war schon die Zehnjahresfrist nur ein mühsam erzielter Kompromiß zwischen den Industriestaaten des Nordens und Textil-Billigproduzentenländern wie Indien, China und Pakistan. Diese hatten ursprünglich für eine Zeitspanne von maximal fünf Jahren plädiert. Hinter der US-Forderung steht die US-Textilindustrie. Deren Verbände forderten Anfang dieser Woche, unterstützt von ihren EG-Kollegen, wesentliche Veränderungen von Dunkels Vertragsentwurf. Auch zu anderen Kapiteln des Entwurfs wurden Veränderungswünsche auf den Tisch gelegt. Vielleicht kommt ja das Gatt-Abkommens erst 1994.