Eine Ost-West-Brücke für den Stau

■ Heute wird die Dömitzer Brücke bei Lüchow eingeweiht

Lüchow (taz) – Es wird viel von Symbolen die Rede sein, wenn heute die Brücke über die Elbe bei Dömitz für den Autoverkehr freigegeben wird. Verkehrsminister Krause, selbst einst unmobiler Bürger aus dem Mecklenburgischen, preist sie als den ersten Brückenschlag zwischen alten und neuen Bundesländern. Für die Menschen diesseits und jenseits der Elbe ist sie die langersehnte feste Verbindung zu alten Verwandten und neuen Freunden, für die verarmten Kommunen in den ehemaligen Grenzgebieten Niedersachsens und Mecklenburgs eine Hoffnung auf regen Handel und Wandel – so wird Krause erklären, wenn er die Schere zückt, um das quer über die Straße gespannte Band zu zerschneiden.

Den umweltbewußten Zeitgenossen ist die Brücke hingegen ein Symbol der verfehlten Bonner Verkehrspolitik: Der Straße wird wieder einmal der Vorrang gegeben, die Schiene vernachlässigt, moniert der Verkehrsclub Deutschland, VCD. Er fordert den Wiederaufbau der Eisenbahnbrücke, deren Ruinen nur ein paar hundert Meter entfernt an den einstmals regen Verkehr zwischen Göttingen und Rostock erinnern.

Mit dieser Forderung steht der alternative Verkehrsclub nicht allein. Von den Grünen über die Gewerkschaften, der SPD bis hin zur CDU sind in den vergangenen Monaten dringende Appelle aus der Region nach Bonn geschickt worden, dem Eisenbahnprojekt über die Elbe endlich Aufmerksamkeit zu widmen. Die Bewohner haben nämlich Angst vor der Verkehrswelle, die ihre noch idyllisch gelegenen Dörfer und Städtchen zwischen Wolfsburg und Ludwigslust überrollen wird. So erwartet die Kreisstadt Lüchow, daß täglich zwölf- bis vierzehntausend Fahrzeuge die engen Straßen zwischen den Fachwerkhäusern verstopfen, Schwerlaster mit Gefahrengütern in der nicht vorbereiteten Region ein Verkehrschaos anrichten werden. Denn die Dömitzer Brücke eröffnet eiligen Verkehrsteilnehmern eine Abkürzung auf dem Weg von den Industriezentren Hannover, Ruhrgebiet und Südharz nach Schwerin und zu den Ostseehäfen – sie sparen sich den Umweg über Hamburg oder Magdeburg/Berlin.

Die Umgehungsstraßen in den ehemaligen Zonenrandgebieten stecken teils noch in der Planungsphase, teils wurden sie vom Verkehrsminister aus Geldnot gestrichen. Der Engpaß beginnt gleich hinter der Dömitzer Brücke auf niedersächsischem Boden. Dort wird eine Verengung der Fahrbahn kurz nach Eröffnung den ersten Verkehrsstau erzeugen – und den Ruf nach vermeintlich stauauflösendem Straßenausbau verstärken. Die Industrie- und Handelskammern der Region zwischen Hamburg, Hannover, Magdeburg und Wolfsburg fordern erneut die Autobahnen zwischen Lüneburg und Magdeburg und zwischen Wolfsburg und Schwerin, die aus Kostengründen aus dem Bundesverkehrswegeplan 92 gestrichen wurden. Die niedersächsische Landesregierung und viele kommunale Politiker hatten die Projekte aber auch vehement abgelehnt, weil sie durch Landschaftsschutzgebiete der Lüneburger Heide und des künftigen Nationalparks Elbtalaue führen würden. Sie setzen lieber auf wirtschaftliche Belebung durch sanften Tourismus und möchten erholungsbedürftige Berliner, Bremer, Hamburger, Schweriner und Hannoveraner mit umweltschonenden Verkehrsmitteln in die Region locken.

Das Kursbuch von 1939 als verkehrspolitisches Argument

Von einer Entlastung der Straßen und touristischer Belebung durch die Eisenbahn können die Bewohner in Lüchow-Dannenberg und Mecklenburg einstweilen nur träumen. In einem Brief an den Bürgermeister von Dannenberg hat der Bundesverkehrsminister den Plan der Eisenbahnfreunde, die etwa siebzig Kilometer lange Lücke im Schienennetz zwischen Hannover und Schwerin zu schließen, eine Absage erteilt. „Die Eisenbahnverbindung Uelzen–Ludwigslust war schon in der Vergangenheit nur von überwiegend regionaler Bedeutung. Das Kursbuch aus dem Jahre 1939 weist auf dem Streckenabschnitt zwischen Dömitz und Dannenberg pro Tag lediglich acht regelmäßig verkehrende Zugpaare aus“, heißt es aus Bonn mit nostalgischem Blick in die verkehrsarme Vergangenheit, der bei den kommunalen Politikern zwischen Elbe und Jeetzel ungläubiges Kopfschütteln ausgelöst hat. Sie fragen sich, ob das Umdenken in Sachen Verkehr im Bonner Ministerium nicht in die falsche Richtung geht, wenn der zukünftige Bedarf an Schiene aus dem Kursbuch der dreißiger Jahre abgelesen wird. Maria Horn