„Soldaten sind potentielle Mörder“

■ Keine Degradierung des Majors Helmuth Prieß

Berlin (taz) – Der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in München hat die Degradierung um zwei Ränge des Majors Helmuth Prieß in seiner Berufungsverhandlung aufgehoben. Statt dessen verurteilte es den 53jährigen zu einer Disziplinarbuße von 500 Mark.

Was hat der Major sich zu schulden kommen lassen? Nachdem 1989 das sogenannte „Soldatenurteil“ ergangen und der angeklagte Arzt Peter Augst, der gesagt hatte: „Alle Soldaten sind potentielle Mörder“, freigesprochen worden war, hatte der Major, Vorstandsmitglied und Sprecher des kritischen Offizierskreises „Darmstädter Signal“, zusammen mit 20 weiteren Soldaten eine Presseerklärung verfaßt. Darin wurde das Soldatenurteil begrüßt. „Wir halten die Aussage ,alle Soldaten sind potentielle Mörder‘ inhaltlich für richtig. Gerade die immer noch gültige Strategie der atomaren Abschreckung bringt uns in Gewissensnot, weil sie bei ihrem Versagen zum massenhaften unterschiedslosen Töten zwingt.“ Das war's. Danach wurden Prieß und andere Mitglieder des Darmstädter Signals wegen schuldhafter Verletzung von „Dienstpflichten“ mit Disziplinarstrafen überzogen.

In seiner gestrigen Urteilsbegründung sagte der Vorsitzende Richter, Helmut Hacker, daß es bei der Beurteilung des Angeklagten ausschließlich um die Gewissensfreiheit und die Grenzen des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung eines Soldaten gegangen sei. Prieß habe sich zur Verteidigung der Bundesrepublik bekannt und die Bundeswehr nicht in Frage gestellt. Auch die „Treue- und Kameradschaftspflicht“ habe er durch die umstrittene Erklärung nicht verletzt. Für eine Geldbuße entschied sich der Senat, weil die Verwendung des Zitats „alle Soldaten sind potentielle Mörder“ die „Pflicht zur Zurückhaltung“ als Soldat und Vorgesetzter verletze. ja