Einseitig für Menschenrechte-betr.: "Mahnung zu Solidarität", taz vom 14.12.92

Betr: „Mahnung zu Solidarität“, 14.12.92

„Amnesty International (ai) beziehe keine Stellung zu den Menschenrechtsverletzungen“ in der Türkei, und „es fehle an deren praktischem Handeln“ - so lauteten die Vorwürfe zweier türkischer Oppositioneller in einem taz-Gespräch. Man liest und staunt: Allein im letzten halben Jahr gab es mehr als 30 Eilaktionen (sog. „urgent actions“), bei denen die türkische Regierung in Tausenden von Telegrammen und Briefen aus der ganzen Welt mit Fällen von Folter, Verschwindenlassen und staatlichen Morden konfrontiert wurde. Augenblicklich läuft eine ai-Kampagne zur Türkei, bei der auch insbesondere die Mitverantwortung der Bundesregierung an Menschenrechtsverletzungen durch die Lieferung deutscher Waffen herausgestellt wird.

Vielleicht wünschen sich die beiden Kritisierenden ja, daß die Einflußmöglichkeiten von ai größer sein sollten. Diesem Wunsch können wir uns nur anschließen. Denn auch wir bedauern, daß wir nicht die finanziellen und personellen Möglichkeiten dazu haben, um nach jedem Vorfall sofort eine Untersuchungsdelegation in die Türkei schicken zu können. Auch wir würden uns wünschen, daß die Regierungen unseren Forderungen nachgeben. Fraglich bleibt jedoch, welches „praktische Handeln“ von uns erwartet wird. Schließlich können wir politisch Inhaftierte nicht mit Waffengewalt aus den Gefängnissen befreien.

Den Grund für die scharfen Vorwürfe vermuten wir allerdings vielmehr in der Tatsache, daß wir auch Menschenrechtsverletzungen durch bewaffnete Oppositionsgruppen verurteilen. So war in unserer letzten Dokumentation der Fall des Mehmet Sami Tarhan erwähnt, der laut Zeitungsmeldungen in einem Istanbuler Gefängnis durch Mitglieder von „Devrimci Sol“ erstochen worden sein soll. Holger Brecht, ai-Türkei-Koordinationsgruppe