VW richtet sich auf härtere Zeiten ein

■ VW will Kosten sparen und rationalisieren / Keinen Grund, an Dividenden zu sparen

Der Wolfsburger Volkswagen-Konzern, Europas größter Autobauer, muß sich auf härtere Zeiten einrichten. Der Jahresüberschuß werde 1992 deutlich unter dem des Vorjahres in Höhe von 1,1 Milliarden DM liegen, sagte am Dienstag abend in Wolfsburg Finanzchef Dieter Ullsperger. Währungsanpassungen würden mit 200 Millionen DM negativ zu Buche schlagen. Der Produktionsausfall in Mexiko durch illegale Arbeitsniederlegung bringe Belastungen von rund 100 Millionen DM. Das wegen der Kriegswirren stillgelegte Werk in Sarajevo verursache einen Ergebnisausfall von 250 Millionen DM. Für höhere Kosten für Altersregelungen würden 400 Millionen DM mehr zurückgestellt als im Vorjahr.

Beeinträchtigt werde das Ergebnis ferner durch die Abschwächung der Nachfrage — vor allem im Ausland. In sieben inländischen Werken und in Brüssel werden im ersten Quartal 1993 jeweils zwischen zwölf und 19 Tage kurzgearbeitet. Dadurch würden pro Tag 6.000 bis 7.000 Autos weniger gebaut. Inzwischen habe sich der Betriebsrat im Werk Mosel in Sachsen geweigert, den zwölf Tagen Kurzarbeit zuzustimmen.

Insgesamt werde das letzte Quartal dieses Jahres einen deutlichen Verlust bringen. Nordamerika einschließlich Mexiko erziele 1992 kein positives Ergebnis, während die Autolatina in Brasilien und Argentinien mindestens ausgeglichen abschließe. Es gebe allerdings keinen Grund anzunehmen, daß die Dividende für 1992 ganz ausfalle. Für 1991 hatte VW eine Dividende von elf DM je 50-DM-Stammaktie und zwölf DM je Vorzugsaktie gezahlt. Mit besserer Produktivität und Kostenstruktur müsse VW wieder höhere Erträge erwirtschaften, betonte Ullsperger. Die Kostenstruktur sei im Vergleich zu einigen Konkurrenten zu hoch.

Der Absatz ist trotz der schlechteren Ertragslage auch 1992 gut. Der Konzern wird weltweit mit 3,5 Millionen Volkswagen-, Audi-, Seat-und Skoda-Modellen sechs Prozent mehr Fahrzeuge ausliefern als im Vorjahr. Der Konzernumsatz dürfte um 13 Prozent auf 86 Milliarden DM steigen, bei der AG wird mit 12 Prozent Wachstum und 53 Milliarden DM Umsatz gerechnet. Der Marktanteil in Westeuropa nehme auf 17,5 (Vorjahr: 16,4) Prozent zu.

1993 werde für die Automobilbranche ein kritisches Jahr, da voraussichtlich der Markt in Europa um zehn Prozent und im Inland sogar um 20 Prozent rückläufig sei. Der Vorstand sei jedoch zuversichtlich, den Herausforderungen mit dem jüngsten Produktprogramm in der Konzerngeschichte, der starken Marktposition und der soliden Finanzstruktur begegnen zu können. Ferdinand Piech, der Anfang 1993 das VW-Steuer übernimmt, ist nach Meinung des derzeitigen Vorstandsvorsitzenden Carl H. Hahn der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt. Besondere Erwartungen setzt VW offenbar auf die Märkte in Fernost, wo für den Autobauer in den kommenden fünf Jahren ein Marktvolumen von einer Million Fahrzeugen entstehen könne. Martin Posth, im Vorstand zuständig für das Personalwesen, soll für dieses Geschäft künftig verantwortlich zeichnen, ist zu hören.

Aufgrund der rückläufigen Nachfrage wird VW künftig kräftig auf die Investitionsbremse treten. Bei einem Volumen von rund neun Milliarden DM wurden bereits in diesem Jahr Kürzungen von 2,7 Milliarden DM gegenüber der ursprünglichen Planung vorgenommen. Allein in Spanien sei es eine Milliarde DM weniger gewesen, in Mosel, wo insgesamt 3,6 Milliarden DM investiert werden, werde VW den Produktionsaufbau der Nachfrage anpassen. Das Werk II soll dort so fertiggestellt werden, daß 1994 mit einer Schicht angefahren werden könne, was einer Tagesproduktion von rund 600 Fahrzeugen entspräche und nicht wie ursprünglich geplant 1.200.

Im Konzern wird die Belegschaft in diesem Jahr weltweit um knapp drei Prozent auf 276.000 Mitarbeiter reduziert. Derzeit gebe es keine Pläne, bei der Marke Volkswagen über den geplanten Abbau von 12.500 Mitarbeitern bis Ende 1994 das Personal im Inland weiter zu verringern, betonte Ullsperger. Der Personalstand sei bereits in diesem Jahr bei VW im Inland um 5.000 auf 115.000 reduziert worden. Wenn die Nachfrage jedoch weiter stark rückläufig sei, müsse über weitere Maßnahmen nachgedacht werden. dpa