"Mit der Versöhnungsarbeit weitermachen"

■ Der israelische Botschaftsrat Noy sieht einen deutsch-israelischen "emotionalen Tirfpunkt"

„Mit der Versöhnungsarbeit weitermachen“

Der israelische Botschaftsrat Noy sieht einen deutsch-israelischen „emotionalen Tiefpunkt“

Der Gewerkschaftsaktivist und Sozialdemokrat Amnon Noy wurde im Sommer diesen Jahres als neuer israelischer Botschaftsrat nach Bonn berufen. In Bremen sprach der 42jährige Politologe und Sohn deutsch-jüdischer Immigranten kürzlich in der Hermann- Ehlers-Akademie über die deutsch-israelischen Beziehungen.

taz: Haben die rechtsradikalen Bewegungen in der Bundesrepublik Einfluß auf die deutsch-israelischen Beziehungen?

Noy: Die Beziehungen befinden sich ohne Zweifel auf einem emotionalen Tiefpunkt. Es geht kein Weg daran vorbei, daß die neuen Entwicklungen in Deutschland Brücken zwischen den Ereignissen von 1933 und den heutigen gebaut haben. Viele Israelis fragen sich, ob es wirklich ein anderes Deutschland gibt, ob wir uns nicht geirrt haben, und ob die deutsche Demokratie gefestigt genug ist, um dem rechtsradikalen Druck standzuhalten. Schon die Vereinigung wurde mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Manche haben angezweifelt, daß Deutschland eine Wiedervereinigung überhaupt verdient hat, nach allem, was es der Welt angetan hat.

Die linke Erziehungsministerin Shulamit Aloni hat kürzlich einen Boykott deutscher Waren verlangt, nachdem im israelischen Fernsehen gezeigt wurde, wie Neo-Nazis Parolen wie „Heil Hitler“ riefen, ohne dafür belangt zu werden.

Es ist klar, daß eine ablehnende Stimmung gegenüber Deutschland in Israel aufkommen muß, wenn antisemitische und rassistische Parolen auftauchen. Das Verbrennen der jüdischen Baracke in Sachsenhausen und das Verbrennen der drei Frauen in Mölln wollte bewußt eine Verbindung zur Geschichte herstellen. Darüber sind natürlich in Israel viele Menschen besorgt.

Die neue Regierung in Jerusalem hat eine andere Politik versprochen. Wie wird diese Politik aussehen?

Was die Friedensverhandlungen angeht, so sehen wir schon einen Silberstreif am Horizont. Die Mehrheit der israelischen Bevölkerung hat begriffen, daß der Weg zum Frieden mit schweren und schmerzhaften Kompromissen verbunden sein wird. Aber die Endperspektive, der Frieden, ist verlockend. Für mich war die Waffe leider immer ein integraler Bestandteil meines Daseins. Der Gang zum Militär mit 18 Jahren ist für uns bedauerlicherweise genauso selbstverständlich wie der zur Schule. Ich hoffe, da wird sich einiges ändern.

Die Berufung nach Bonn ist ihre erste in ihrer diplomatischen Laufbahn. Sind Sie froh über die Wahl?

Für mich war es eine natürliche Entwicklung; ich habe in Deutschland studiert und mich eingehend mit deutsch-israelischen Beziehungen beschäftigt. Außerdem stammen meine Eltern aus Deutschland und die deutsche Sprache war mir nicht fremd, obwohl mein Bruder und ich uns als Kinder weigerten, deutsch zu sprechen.

Warum?

In den 50er und 60er Jahren war die deutsche Sprache nicht gerade salonfähig, um es milde auszudrücken. Wenn überhaupt deutsch gesprochen wurde, dann sprach man sehr leise.

Was bedeutet der Holocaust für die jüngere Generation der Israelis?

Der Holocaust wirkt bis in die Gegenwart hinein, denn die Generation der Eltern hat einen Imperativ an die Kinder weitergegeben: „Ihr dürft so etwas nie wieder zulassen!“ Der Staat Israel ist ein Garant für die Unwiederholbarkeit des Holocaust.

Int.: Silke Mertins